Bluternte: Thriller
Rückstände von allem, worauf wir laufen«, erklärte Rushton. »Das nennt man Locket‘sches Gesetz oder so.«
»Locard‘sche Regel«, fiel Neasden ihm mit dem ersten Lächeln ins Wort, das Harry je auf seinem Gesicht gesehen hatte. »Jedes Mal, wenn zwei Oberflächen miteinander in Kontakt kommen, besteht die Möglichkeit eines Austauschs physischer Materie. Wir nehmen etwas von dem mit, was uns begegnet, überall, wo wir sind.«
»Ja, genau.« Rushton nickte in Richtung seines DI . »Also, wie gesagt, jedes Mal, wenn wir auf irgendetwas herumlaufen – Staub, Matsch, Teppich und so weiter –, bleiben winzige Partikel an den Sohlen unserer Schuhe kleben, und wenn unsere Schuhe dann mit einer sauberen, trockenen Oberfläche in Kontakt kommen, so wie Ihre Dielen oben, Mrs. Fletcher, dann hinterlassen sie einen schwachen Abdruck. Den finden wir – mit wir meine ich meine cleveren Jungs und Mädels – auf dieselbe Weise, wie wir Fingerabdrücke finden. Wir bestäuben das Ganze mit Fingerabdruckpuder und nehmen den Abdruck dann mit Klebeband ab.«
»Hier drinnen war nur der eine Abdruck?«, wollte Harry wissen.
Neasden nickte. »Wir sind uns ziemlich sicher, dass sonst nichts da ist«, meinte er. »Ich bezweifele nicht, dass gestern Nacht mehr vorhanden gewesen sein könnten, aber hier im Haus war ein ziemliches Kommen und Gehen, schon bevor wir hier aufgekreuzt sind. Alle anderen sind wahrscheinlich dabei draufgegangen. Macht nichts. Einer reicht.«
»Alles okay, Alice?«, erkundigte sich Harry.
Alice schien allmählich wieder ein bisschen Farbe zu bekommen. Sie nickte. »Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen erleichtert«, antwortete sie. »Das heißt, Tom hat nicht gelogen.« Sie schwieg einen Moment. »Wahrscheinlich hat er die ganze Zeit die Wahrheit gesagt«, setzte sie dann hinzu.
Harry lächelte ihr zu und wandte sich dann wieder an Rushton. »Können Sie den Stiefel zu seinem Besitzer zurückverfolgen?«, wollte er wissen.
»Das ist durchaus möglich.« Rushton nickte. »Außerdem haben wir hier günstigerweise eine kleine Kerbe rechts an der Sohle, da, sehen Sie?« Er tippte mit dem Zeigefinger auf die eine Seite des Fotos. Harry sah eine kleine Delle, nur einen halben Zentimeter lang. »Und obendrein sind laut unserem Labor auch noch Abnutzungsmuster zu erkennen. Wenn wir den fraglichen Stiefel finden, dann können wir beweisen, dass der Träger bei Ihnen im Haus und im Garten war. Das ist angesichts der fehlenden Einbruchsspuren auch der Grund, weshalb ich das mit dem Schlösseraustauschen angesprochen habe. Und wenn Sie schon mal dabei sind, sollten Sie vielleicht auch über eine Alarmanlage nachdenken.«
»Ich rufe Gareth an.« Alice stand auf. »Er kann gleich neue Schlösser mitbringen.«
»Sehr vernünftig«, lobte Rushton. »Aber einen Moment noch. Ich fürchte, das ist noch nicht alles. Wahrscheinlich sollten Sie sich lieber setzen.«
Alice blickte zur Küchentür. »Ich sollte wirklich mal nach den Kindern sehen.«
»Evi ist doch bei ihnen«, erinnerte Harry und fragte sich im Stillen, ob die Sozialarbeiterin wohl anbieten würde nachzusehen, ob mit den Kindern alles in Ordnung war. Sie tat es nicht. Alice setzte sich wieder.
»Wo lassen Sie Ihre Kleidung reinigen, Mrs. Fletcher?«
»Wo lasse ich was?«
»Welche Reinigung benutzten Sie? In Goodshaw Bridge gibt es ein paar, bringen Sie Ihre Sachen da hin?«
»Das würde ich wohl tun«, meinte Alice, »wenn ich irgendwas zu reinigen hätte. Aber ich bringe höchstens einmal im Jahr etwas in die Reinigung.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Rushton und Jove wechselten Blicke.
»Ich habe drei Kinder«, erklärte Alice weiter, als fürchte sie, man würde ihr nicht glauben. »Ich verdiene mir mein Geld mit Malen, und mein Mann baut Häuser. Wenn man etwas nicht selber waschen kann, dann kaufe ich es in der Regel nicht.«
»Durchaus vernünftig«, pflichtete Rushton ihr bei und nickte. »Laut meiner Frau kostet es ein Vermögen, meine Anzüge zu reinigen. Also, haben Sie schon mal so ein Reinigungs-Set für zu Hause benutzt? Sie wissen schon, wo man die ganzen Klamotten mit einem Haufen Chemikalien in einen Beutel stopft und den dann in den Trockner tut?«
»Von so was habe ich noch nie gehört«, erwiderte Alice.
»Dann haben Sie doch bestimmt nichts dagegen, wenn unsere Stacey hier sich mal kurz in Ihren Schränken umsieht und sich vergewissert, dass da nichts drin ist, was Sie vergessen haben?«
Alice dachte kurz
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