Bluternte: Thriller
anderes verließ das Haus der Fletchers. Hannah, die blonde Sozialarbeiterin.
»Miss Pissy da unten hat was von einer Schutzanordnung mit Sofortvollzug gesagt«, meinte er. »Müssen wir uns Sorgen machen?«
»Ich rufe ihren Vorgesetzten an, wenn ich zurück bin«, versprach Evi. »Um sicher zu sein, dass ich über alle gerichtlichen Anträge auf dem Laufenden gehalten werde. Das hast du übrigens gut gemacht, ihr nicht in den Ausschnitt zu glotzen.«
»Ich stehe nicht auf Blondinen. Wirst du dich gegen eine solche Anordnung aussprechen?«
Evi dachte einen Moment nach. Hannah Wilson stieg in ein kleines rotes Auto und fuhr davon. »Wenn ich es für notwendig halte, Harry, dann werde ich selbst eine beantragen«, sagte Evi. »Nein, jetzt dreh nicht gleich durch. Diese Kinder sind tatsächlich in Gefahr. In Anbetracht der Ereignisse von gestern Nacht glaube ich, das kann niemand mehr bezweifeln.«
»Aber sie ihrer Mum und ihrem Dad wegzunehmen wird es doch –«
»Eine Schutzanordnung bedeutet nicht, dass sie ihren Eltern weggenommen werden; die ermächtigt die zuständigen Behörden lediglich, sie vor Schaden zu bewahren. Gareth Fletchers Eltern wohnen doch ganz in der Nähe, nicht wahr?«
Harry nickte. »Ich glaube schon«, sagte er. »In Burnley.«
»Also, dann könnte das Gericht beschließen, dass die Kinder eine Weile bei ihren Großeltern wohnen sollen, natürlich mit Gareths und Alices Einverständnis und ihrer vollen Unterstützung.«
»Für wie lange?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das kann man unmöglich sagen. Schutzanordnungen mit Sofortvollzug gelten normalerweise nur für ein paar Tage, aber oft schließt sich daran eine längerfristige Pflegeanordnung an. Ach, schau mich nicht so böse an. Ich habe nie geglaubt, dass die Eltern der Kinder Teil des Problems sind. Aber ein Problem gibt es da auf jeden Fall.«
»Rushton wird das Haus von seinen Leuten überwachen lassen«, wandte Harry ein.
»Und wie lange? Er wird nicht genug Leute haben, um es auf unbestimmte Zeit zu bewachen. Und selbst wenn sich herausstellt, dass diese Kinder vom Friedhof ermordet worden sind, selbst wenn sich hier oben ein Psychopath herumtreibt, der hinter kleinen Mädchen her ist, sie sind schon seit Jahren tot. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sie den Schuldigen so schnell finden.«
Harry schwieg. Sie hatte recht.
»Und während sie suchen, schweben die Kinder der Fletchers weiter in Gefahr.«
Sie hatte immer noch recht. Widerstrebend nickte Harry ein kleines bisschen.
»Ich habe mich gerade lange mit Tom unterhalten«, berichtete Evi. »Er hat endlich angefangen, mir etwas von diesem Mädchen zu erzählen.«
»Und …«
»Na ja, ich bin mir ziemlich sicher, dass er nicht lügt. Irgendjemand hat ihm Angst gemacht, und ich glaube, vielleicht stimmt das, was du gestern Abend gesagt hast. Irgendjemand treibt hier ziemlich gemeine Scherze. Vielleicht verkleidet, in einer Art Gruselkostüm. Meistens erscheint sie nachts, deshalb kann er sie nie wirklich gut erkennen. Oft, sagt er, kann er sie eigentlich gar nicht richtig sehen. Er bekommt sie immer nur ganz kurz zu Gesicht, hört sie alles Mögliche rufen.«
»Glaubt er, dass sie Millie im September auf die Kirchenempore gesetzt hat?«
»Ja, er ist überzeugt davon, dass sie es war.«
»Und er denkt, sie hat Millie gestern Nacht entführt?«
Sie drehte sich wieder zu ihm um. Bildete sie sich das nur ein, oder war Harry auf der Bank näher gerückt?
»Zuerst schon«, antwortete sie. »Aber als wir darüber gesprochen haben, ist ihm klar geworden, dass sie es nicht gewesen sein kann. Der Einbrecher, den er beschreibt, ist ganz und gar nicht so wie das Mädchen – zum einen ist er viel größer, und er trägt ganz andere Kleider. Miss Pissy Push-up, wie du sie zu nennen beliebst, war schlau genug, darauf hinzuweisen, dass derjenige, der Tom getreten hat, einen Stiefel am Fuß hatte.«
»Von Push-up habe ich nichts gesagt. Miss Pissys Unterwäsche interessiert mich nicht im Geringsten. Was hier abläuft, hat etwas mit der Kirche zu tun. Da bin ich ganz sicher.«
»Mit der Kirche?«
»Wir wissen, dass eines dieser Kinder – Lucy Pickup – in der Kirche ums Leben gekommen ist. Millie Fletcher um ein Haar auch. Ich wette, bei den beiden anderen war es genauso. Sie sind auf die Empore gebracht und hinuntergeworfen worden.«
Evi gönnte sich einen Augenblick, um das zu verdauen. »Vier kleine Mädchen«, sagte sie. »Wer würde denn so etwas tun?«
»Sie
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