Bluternte: Thriller
Zeichnung stimmt, sind ihr Kopf, ihre Hände und ihre Füße überproportional groß. Das würde auf eine kleinwüchsige Erwachsene hindeuten. Und sie scheint eine Art Schwellung vorn am Hals zu haben, vielleicht einen Kropf.«
»Wenn so jemand in Heptonclough wohnt, dann wissen die Leute davon.«
»Genau. Und sie muss in Heptonclough wohnen. Es gibt keine anderen Dörfer, die nahe genug wären.«
»Es gibt eine ganze Menge Bauernhöfe in der Gegend. Manche davon sind ziemlich abgelegen. Vielleicht kommt sie von einem von denen.«
»Der Detective, der dabei war, hat etwas in der Art gesagt. Er wird mit seinem Boss reden, dass sie ein paar Officers Hausbesuche machen lassen.«
»Die haben das alles ernst genommen? Ich meine, letzten Endes war’s ein Bild, das ein Sechsjähriger gemalt hat.«
»Ich glaube nicht, dass sie viele andere Anhaltspunkte haben, du etwa?«
»Was hat denn Joe über sie gesagt?«
»Gar nichts. Ich habe ein paar Minuten allein auf ihn eingeredet, aber er hat kein Wort gesagt. Tom glaubt, er hat ihr versprochen, dass er nicht über sie spricht, aber sie zu zeichnen zählt anscheinend nicht.«
»Könnte sie ihn bedroht haben?«, fragte Harry.
»Möglich. Obwohl ich es eher bezweifle. Joe zeigt durch nichts, dass er Angst vor ihr hat. Er war bei dem Gespräch nicht gestresst, sondern einfach nur stumm. Und Millie hat sie auf dem Bild begrüßt wie eine alte Freundin.«
»Also hat Tom Todesangst vor etwas, womit sein Bruder und seine Schwester gut zurechtkommen? Für wie wahrscheinlich hältst du das?«
»Tom ist ein ganzes Stück älter«, gab Evi zu bedenken. »Er fängt in vielerlei Hinsicht an, zu denken wie ein Erwachsener. Bei Joe und Millie, die jünger sind, ist es vielleicht wahrscheinlicher, dass sie Ebba akzeptieren.«
»Wie nennst du sie?«, fragte Harry.
»Ebba. Das ist Millies Name für sie. Könnte natürlich alles Mögliche sein – Emma, Ella, wer weiß? Der springende Punkt ist, es gibt sie wirklich.«
»Und wie kommt sie ins Haus?«
»Na ja, laut Tom gar nicht mehr. Er hat sie nicht mehr gesehen, seit die Mauer eingestürzt ist. Jetzt, wo Alice und Gareth darauf achten, dass alle Türen abgeschlossen sind, kann sie nicht mehr ins Haus. Er denkt, dass sie sie vielleicht immer noch beobachtet, wenn sie draußen sind, aber er kann es nicht mit Sicherheit sagen.«
»Komm her«, sagte Harry. Es machte ihm Angst, wie sehr er sich das wünschte.
Keine Antwort.
»Ich koche uns auch was«, versuchte er es, als sie immer noch nichts sagte.
»Du weißt doch, dass das nicht geht.«
In Harrys Innerem riss irgendetwas. »Ich weiß nichts dergleichen«, stieß er hervor. »Ich weiß nur, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht mehr begreife, was um mich herum passiert. Jedes Mal, wenn ich vor die Tür gehe, stürzen sich Reporter auf mich. Ich traue mich kaum noch, ans Telefon zu gehen. Überall, wohin ich mich wende, finde ich einen Polizisten vor. Allmählich kommt’s mir vor, als wäre ich selbst ein Verdächtiger.«
»Das verstehe ich ja, aber –«
»Ich habe es hier mit einem Ausmaß an Trauer zu tun, das mir bisher noch nie untergekommen ist, Kinderleichen purzeln aus dem Boden, und meine einzigen Freunde hier stehen kurz vor einem Nervenzusammenbruch. In der Kirche finde ich Puppen, die wie echte Kinder aussehen. Ich bin durch einen gemeinen Trick dazu gebracht worden, Blut zu trinken …«
»Harry …«
»Und der einzige Mensch, der mir helfen könnte, nicht durchzudrehen, will nichts mit mir zu tun haben.«
»Puppen? Blut? Wovon redest du eigentlich?« Ihre Stimme war leiser geworden. Es klang, als hielte sie den Hörer vom Ohr weg. Harry hörte ein gedämpftes Klopfgeräusch. Hatte die Katze irgendetwas umgeworfen?
»Evi, wenn ich glauben würde, dass du mich überhaupt nicht magst, dann würde ich dir nicht auf die Nerven gehen«, sagte er und sah sich im Zimmer um. Keine Spur von der Katze. »Ich verspreche dir, so ein Jammerlappen bin ich nicht. Sag mir einfach, dass ich völlig danebenliege, und ich lass’ dich in Ruhe. Aber das glaube ich nicht. Ich glaube, du empfindest genauso wie ich und …« Wieder das Klopfgeräusch. Jemand war an der Tür.
»Wie meinst du das, du hast Blut getrunken?«
»Hör zu, können wir diesen ganzen Mist mal einen Augenblick vergessen und über uns reden? Komm zum Essen – nichts sonst, ich versprech’s. Ich will nur reden.«
»Harry, was hast du mir da nicht erzählt?«
»Ich erzähl’ dir alles, wenn du
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