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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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festgestellt wird, kann es künstlich zugeführt werden. Sie müssen es ihr Leben lang nehmen, aber ihre Entwicklung verläuft völlig normal.«
    Harry schaltete den Kessel ein und trieb saubere Becher auf.
    »Die einzige Erklärung, die mir einfällt, ist, dass ihre Eltern relativ ungebildet waren und sie nicht weiterbehandelt haben«, fuhr Evi fort. »Vielleicht leiden sie ja selber daran. Ich habe heute Morgen mit DCS Rushton gesprochen und vorgeschlagen, dass die Polizei anfangen soll, sich auf entlegenen Höfen und in den Cottages der Landarbeiter umzusehen. Wer immer diese Familie ist, ich würde sagen, sie kommen nicht allzu oft ins Dorf.«
    »Okay, jetzt die ganz große Frage«, meinte Harry und löffelte löslichen Kaffee in die Becher. »Könnte dieses Mädchen – diese Frau – für den Tod von Lucy, Megan und Hayley verantwortlich sein? Für das, was mit Millie passiert ist?«
    Evi rief wieder das erste Bildschirmfenster auf. »Ich habe den größten Teil des heutigen Tages damit verbracht, so viel wie möglich über diesen Zustand in Erfahrung zu bringen«, sagte sie. »Ich kann keinerlei Hinweise darauf finden, dass sich die Betroffenen gewalttätig oder aggressiv verhalten. Sogar Tom glaubt jetzt nicht mehr, dass sie es war, die Millie entführen wollte. Er behauptet, es wäre jemand viel Größeres gewesen.«
    »Es war dunkel, und er hatte Angst«, gab Harry zu bedenken. »Er könnte sich geirrt haben.«
    »Ja, aber irgendwie passt das auch nicht. Diese Menschen sind bekannt für ihre Sanftheit, für ihre Harmlosigkeit. Sogar ihr Name deutet darauf hin. Man nimmt an, dass das Wort ›Kretin‹ von dem französischen Wort ›Chrétien‹ abgeleitet wurde.«
    »Und das heißt?«, fragte Harry, während das Wasser zu kochen begann und der Kessel von selbst abschaltete.
    »Christ«, antwortete Evi. »Kretin heißt Christ. Das soll auf die christusgleiche Unfähigkeit des Betroffenen hindeuten zu sündigen.«
    Er konnte sich heute Vormittag wirklich nicht konzentrieren. »Wie das?«
    »Sie haben nicht die nötige geistige Kapazität, um zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, also kann nichts, was sie tun, im wahrsten Sinne des Wortes als Sünde bezeichnet werden. Sie bleiben unschuldig.«
    Fast hätte Harry wieder den Kopf geschüttelt. Gerade noch rechtzeitig ließ er es bleiben. Nie wieder würde er Alkohol trinken. »Das heißt doch nicht, dass sie nichts Unrechtes tun können. Nur, dass sie nicht wissen, dass sie unrecht tun«, entgegnete er. »Was ist, wenn dieser Ebba kleine blonde Mädchen gefallen, wenn sie sie als eine Art Spielzeug betrachtet, und das alles … oh, warte mal, da klingelt doch was bei mir.«
    »Ich würde sagen, das Letzte, was du jetzt brauchst, ist, dass in deinem Kopf irgendwas klingelt.« Sie lachte ihn aus.
    »Was ich im Augenblick brauche, kann in einem Gotteshaus nicht laut ausgesprochen werden«, gab er zurück. Aber sie hatte recht, er könnte wirklich auf diesen Kater verzichten. »Unschuldige Christen«, sagte er, als probiere er aus, wie sich die Worte in seinem Mund anhörten. Dann hatte er es. »Unschuldige Christenseelen«, stieß er hervor. »Wir brauchen das Beerdigungsregister.«
    »Bitte?«
    Harry griff bereits in den Schrank, wo das Register aufbewahrt wurde.
    »Schau her«, sagte er, als er die richtige Seite gefunden hatte. »Sophie Renshaw, gestorben 1908 im Alter von achtzehn Jahren, beschrieben als Eine Unschuldige Christenseele. «
    »Da ist noch eine«, sagte Evi. »Charles Perkins. Gestorben 1932, mit fünfzehn. Wie viele davon gibt es?«
    Er zählte rasch. »Acht«, stellte er fest. »Sechs Mädchen, zwei Jungen, alle unter fünfundzwanzig.«
    »Hypothyreose tritt bei Mädchen häufiger auf als bei Jungen«, überlegte Evi. »Du meinst, all diese Menschen könnten so gewesen sein wie Ebba?«
    »Das würde mich nicht im Mindesten überraschen. Ich weiß sogar noch, wie dieser alte Sack damit angegeben hat. ›Fünfundneunzig Prozent dessen, was ich in meinem ganzen Leben gegessen habe, stammt von diesem Moor‹, genau das hat er zu mir gesagt. Ich wette, in dem Boden hier oben herrscht – wie hast du das genannt?«
    »Jodmangel. Wir müssen sie unbedingt finden, Harry.«

65
     
    Der Bus hielt an, und fünfzig aufgeregte Kinder sprangen auf. Durch die beschlagenen Fenster konnte Tom das riesige Banner und die Plakate vor der King George’s Hall sehen und die Lichter der Weihnachtsbeleuchtung von Blackburn. Die Schneekönigin, ein bisschen

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