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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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miteinander hatten. Bei eineiigen Zwillingen sei das oft so. Sie konnten erraten, was der andere dachte, ohne es auszusprechen. Er und Joe waren vom Alter her doch gar nicht so weit auseinander. Sehr oft wusste er ganz genau, was sein Bruder gerade dachte. Vielleicht hatten er und Joe ja auch so eine Verbindung. Vielleicht konnte Joe ihm ja sagen, wo er war, wenn Tom sich ganz fest konzentrierte.
    Leise begann die Kirchenuhr die Stunde zu schlagen. Bong. Bong. Bong.
    Das leinene Altartuch streifte Harrys Wange. Mühsam wurde er wach. Er hob die Hand vors Gesicht und drückte auf den Knopf an seiner Uhr, der das Zifferblatt erleuchtete. Zehn nach drei. Ein kalter Luftzug strich über sein Gesicht. Jemand hatte eine Tür geöffnet.
    So leise er konnte, kroch Harry unter dem Altar hervor, kam auf die Beine und huschte zur Orgel hinüber. Die Kirche sah leer aus. Der viereckige Gitterrost unter seinen Füßen war noch an Ort und Stelle. Niemand war aus der Krypta heraufgekommen.
    Er verharrte still und lauschte angespannt. Der Wind hatte sich gelegt. Im Wetterbericht vorhin war davon die Rede gewesen, dass es schneien könnte.
    Nach fünf Minuten ging er langsam den Mittelgang hinunter und schaute dabei in die Bankreihen zu beiden Seiten. An der Rückseite der Kirche angekommen überprüfte er die Tür, die zur Krypta führte. Sie war noch immer abgeschlossen und verriegelt. Über ihm war die Empore verwaist. Er ging zu der kleinen Holztür hinüber, durch die man in den Glockenturm gelangte. Sie war abgeschlossen, aber nicht verriegelt. Hatte er vorhin den Riegel vorgeschoben? Möglicherweise nicht. Aber er war sich sicher, dass er es getan hatte.
    Nichts. Wenn Joe ihm irgendwelche Botschaften sandte, dann kamen sie nicht bei Tom an. Und plötzlich war es unmöglich, still zu liegen. Tom schob die Daunendecke zurück und stieg aus dem Bett. Er ging über den Flur und öffnete die Tür von Millies Zimmer. Sie schlief tief und fest, das Haar schweißfeucht, und ihre kleinen Ärmchen drückten Simba eng an ihre Brust.
    Und wenn Joe gerade jetzt da draußen war? Wenn er nach Hause gekommen war und nicht hereinkonnte? Vielleicht kauerte er ja frierend auf der Schwelle. Leichtfüßig rannte Tom die Treppe hinunter und spähte durch das Glas der Haustür. Kein kleiner, durchgefrorener Junge auf der Türschwelle.
    Gerade wollte er wieder nach oben gehen, als ein Geräusch aus dem Wohnzimmer ihn innehalten ließ. Er wagte kaum zu hoffen, als er die Tür aufstieß. Seine Mum, noch immer in den Sachen, die sie den ganzen Tag angehabt hatte, lag auf einem der Sofas, mit einer Decke um die Hüften. Auf dem anderen Sofa saß sein Dad. Sein Kopf war nach hinten gekippt, und seine Augen waren geschlossen. Er atmete schwer.
    Tom schlich ins Zimmer. Auf dem dritten Sofa lagen Kissen und eine bunte Wolldecke. Er legte sich hin und zog die Decke über sich.
    Harry schloss die Tür zum Glockenturm auf. Verdammt, war das kalt. Der Turm war leer, die Glocke hing verkehrt herum über ihm, genau wie er sie vorhin zurückgelassen hatte. Es hatte keinen Sinn, dort hinaufzusteigen. Durch diesen Turm konnte niemand hinausklettern.
    Kein erwachsener Mann brächte das fertig. Eine schlanke Frau vielleicht. Und Ebba hatte die Größe eines Kindes. Harry stemmte sich hoch, bis er richtig hinaussehen konnte. Das Ziegeldach senkte sich von ihm fort. An der gegenüberliegenden Ecke, an der Vorderseite der Kirche, konnte er einen der drei falschen Glockentürme erkennen. Anders als der, in dem er gerade stand, waren sie leer, sie waren nur für das ästhetische Gleichmaß des Kirchengebäudes da. Durch die Steinsäulen hindurch konnte er den Nachthimmel sehen. Auf dem Dach war niemand – bestimmt hatte er den Riegel vorhin doch nicht vorgeschoben. Er stieg wieder hinunter und verließ die Empore. Als er durchs Hauptschiff ging, schaute er abermals auf die Uhr. Zwanzig vor vier. Er konnte ebenso gut wieder zu Bett gehen.

78
     
    Ein raues Scharren. Dann ein gedämpftes Klirren, als sei etwas Schweres auf Stein gefallen. Harry rollte sich gerade noch rechtzeitig aus seinem Versteck hervor, um eine dunkle Gestalt im Boden verschwinden zu sehen.
    »Warte!«, schrie er instinktiv. Er hörte, wie unter ihm etwas dumpf auf dem Boden aufschlug. Rasch griff er unter den Altar, schnappte sich seine Taschenlampe und eilte durch den Altarraum. Unbemerkt bleiben zu wollen war sinnlos.
    Harry landete auf dem Boden der Krypta und schaltete die Taschenlampe ein. Er

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