Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
erwidern.
    »Gestern Abend. Ist nicht gut gelaufen.« Über seine Schulter hinweg konnte sie Leute auf die Kirche zustreben sehen. »Und das Zweite, was ich erledigen muss, ist, einen anderen Therapeuten zu finden, der ihre Behandlung übernimmt«, fuhr sie fort. »Ich hoffe, das klappt heute noch. Ich mache mir wirklich ziemliche Sorgen.«
    Zwei alte Frauen warteten nur ein paar Meter entfernt. Offensichtlich wollten sie mit Harry reden. Evi sah auf die Uhr. »Ich muss los«, sagte sie. »Ich beeile mich, so sehr ich kann.« Damit drehte sie sich zu ihrem Auto um und hielt dann inne. »Ich könnte im Moment ein bisschen was von deinem Gottvertrauen gebrauchen«, sagte sie. »Hast du zufällig noch etwas davon übrig?«
    Falls er ihr antwortete, so hörte sie es nicht.

80
     
    Harry wandte sich von Evi ab und sah Minnie Hawthorn und eine ihrer Freundinnen am Eingang zum Kirchhof stehen. Ihre Blicke schienen ihn zu schälen wie eine Zwiebel, als er auf sie zuging. Sie registrierten seine zerknitterten Kleider, sein unrasiertes Gesicht.
    »Guten Morgen, Ladys«, sagte er und fragte sich, woher er die Energie nehmen sollte, höflich zu zwei engstirnigen alten Schachteln zu sein, die wahrscheinlich nur hier waren, weil sie das Drama genossen, das sich direkt vor ihrer Haustür abspielte.
    »Vigil gehalten, Reverend, nicht wahr?«, erkundigte sich Minnie, während sie ihn von oben bis unten musterte. Und dann noch einmal von unten nach oben.
    »So etwas Ähnliches«, stimmte Harry zu.
    »Ist die Kirche offen?«
    Hinter sich hörte Harry Evis Auto anspringen. Er nickte.
    »Dann wollen wir mal«, meinte Minnie. »Sie kriegen gleich Frühstück, Reverend.«
    Harry drehte sich um, gerade als Evi an ihnen vorbeifuhr, ohne auch nur in seine Richtung zu blicken. Stanley Hargreaves, ein weiteres Gemeindemitglied, kam mit zwei anderen Männern den Hügel herunter auf sie zu. Dann kam ein Land Rover von der Moorstraße her in Sicht und hielt vor der Metzgerei. Jenny und Mike Pickup saßen auf den Vordersitzen. In der Metzgerei ging das Licht an. Dick Grimes und sein Sohn kamen durch die Hintertür heraus und traten auf die Straße.
    »Sie warten nicht auf die Polizei«, erklärte Minnies Begleiterin. »Sie fangen an, sobald Sie mit den Gebeten fertig sind.«
    »Gebete?«, fragte Harry.
    »Für den kleinen Jungen.« Minnie nahm ihn am Arm und führte ihn auf die Kirche zu. »Dass er wohlbehalten nach Hause kommt. Kommen Sie, Reverend, Sie scheinen ein bisschen schwer von Begriff zu sein, wenn ich das mal so sagen darf. Ich glaube, Sie brauchen ein Tässchen mit was Heißem.«
    Evi wischte sich die Augen, als sie um die Ecke fuhr und die Kirche nicht mehr im Rückspiegel sehen konnte. Binnen Sekunden liefen sie wieder voll. Gillian stand vor ihrer Wohnung. Als sich ihre Blicke begegneten, nahm Evi den Fuß vom Gaspedal, und der Wagen wurde langsamer. Doch sie konnte nicht anhalten – was in aller Welt sollte sie denn sagen? Sie trat wieder aufs Gas, und der Wagen schoss davon.
    Wollte Gillian bei der Suche mitmachen? Ich habe Jahre damit verbracht, auf dem Moor herumzulaufen, ich kenne die besten Verstecke. Richtig angezogen war sie dafür jedenfalls nicht, mit einer dünnen Jeansjacke und hochhackigen Stiefeln.
    Eine plötzliche Vision füllte ihren Kopf aus, eine Vision von dem Leichnam eines kleinen Jungen, der unter einer Hecke lag. Wahrscheinlich würden die Schäferhunde ihn wittern, noch bevor die Polizeihunde eintrafen, und es wäre vorbei.
    Hör auf. Hör auf. Es ist nicht vorbei.
    Sie sah auf die Uhr. Die Samstagvormittagssprechstunde dauerte von zehn bis zwölf. Heute hatte John Warrington Dienst. Die Pressekonferenz begann um zehn und würde wahrscheinlich vierzig Minuten dauern. Es würde knapp werden, war aber zu schaffen. Noch war Zeit. Es war nicht vorbei.
    Warum also konnte sie verdammt noch mal nicht aufhören zu weinen?
    Die Kirche war seit dem Morgengrauen voller Leute gewesen. Nachdem Evi losgefahren war, hatte Harry innerhalb einer halben Stunde Schinkensandwiches und starken Kaffee vorgesetzt bekommen und hielt einen improvisierten Gottesdienst für die Suchmannschaft. Irgendjemand hatte sein behelfsmäßiges Nachtlager weggeräumt. Irgendjemand anderes hatte gesagt, er solle sich nicht die Mühe machen, einen Talar anzuziehen, unter diesen Umständen täten Jeans und Pullover es auch.
    Fünf Minuten nachdem er begonnen hatte, war die Kirche beinahe voll. Die meisten Leute waren hinten und an den Seiten des

Weitere Kostenlose Bücher