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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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ließ den Strahl durch alle Ecken wandern, versuchte, alle Schatten ausfindig zu machen, die hier nicht hingehörten, jede Bewegung außer seinen eigenen. Der erste Kellerraum schien leer zu sein. Gerade wollte er in den zweiten hinübergehen, als er abermals ein Geräusch hörte. Eisen klirrte gegen Eisen, in der zweiten Kammer der Krypta.
    Harry rannte auf die offene Tür zu und hielt inne. Es brachte nichts, Hals über Kopf in die Finsternis hineinzustürzen. Er stand im Türrahmen und leuchtete mit der Taschenlampe in die Runde, fand das Wasserbecken, den ersten Alkoven, den zweiten, den – die Tür des sechsten und letzten stand offen. Des Alkovens, den er vorhin nicht hatte durchsuchen können. Irgendjemand war jetzt dort drin.
    »Ebba«, rief er. »Heißt du so? Ebba, ich möchte nur mit dir reden. Du musst mir helfen, Joe zu finden.«
    Keine Antwort. Er ging an dem dritten Alkoven vorbei, kam näher.
    »Ich will nur Joe, Ebba. Kannst du mir sagen, wo er ist?«
    Vorbei am vierten Alkoven, auf den fünften zu. Das Tor des sechsten stand noch immer offen.
    Er ging langsamer, als er näher kam. Seiner Erinnerung nach standen vier Särge in dem Alkoven. Ein schmaler Gang und eine kleine Holztür in der hinteren Wand.
    Harry machte sich auf einen jähen Angriff gefasst und trat in die Türöffnung. Der Alkoven war leer. Ebba musste durch die Tür an der Rückseite hinausgeschlüpft sein. Er trat darauf zu. Sie war kaum breiter als einen halben Meter und öffnete sich nach außen.
    Der Raum dahinter war eine schmale, hohe Kammer mit gewölbter Ziegeldecke. Gemauerte Simse zogen sich zu beiden Seiten an der Wand entlang, auf jedem standen Steinsärge. Die Luft war trocken und erdig, und eine kalte Brise wehte durch eine weitere Tür am anderen Ende der Kammer herein. Ebba hatte es eilig gehabt. Durch einen winzigen Spalt konnte er den Nachthimmel sehen.
    Er warf einen Blick auf die Uhr, als er an den Särgen vorbeischritt. Zwanzig vor sieben. Dann drückte er die Tür auf und trat in einen winzigen Hof hinaus, umgeben von hohen Eisengeländern. Harry wusste sofort, wo er war, obgleich er noch nie auf dieser Seite gestanden hatte. Er hatte die Kirche durch die Familiengruft der Renshaws verlassen.
    Nun, jetzt wusste er, wie Ebba ungesehen in die Kirche hinein und wieder heraus kam. Aber wo war sie? Er ging über den Innenhof des Mausoleums, wobei seine Schritte auf Kies knirschten, und stieß das Eisentor auf.
    Es mochte ja zwanzig vor sieben sein, und die Welt mochte allmählich erwachen, doch der Himmel über ihm war noch genauso schwarz wie schon die ganze Nacht lang. Harry wartete. Sein Herz hämmerte in seiner Brust. Kein Laut, nicht einmal der Wind.
    Dann raschelte es im Gras, und die Büsche gerieten in Bewegung. Jemand kam auf ihn zu. Harry trat in den Schatten eines großen Lorbeerbusches. Er konnte sie sehen, eine zierliche Gestalt, die auf ihn zugekrochen kam und um sich blickte, als hätte sie Angst, dass gleich irgendetwas hervorspringen würde. Harry trat vor, packte die Gestalt bei den Schultern und drehte sie zu sich herum.
    »Tom!«, stieß er hervor, und jegliche Luft entwich aus seinem Körper. »Was in aller Welt machst du denn hier?«
    Tom starrte zurück, mit weit aufgerissenen Augen und ein wenig mürrisch, wie Kinder es tun, wenn sie auf eine Frage keine Antwort geben wollen. Schon gar nicht auf eine blöde Frage. Er suchte nach seinem Bruder, natürlich, was sollte er denn sonst hier machen?
    »Wissen deine Mum und dein Dad, dass du hier bist?«, fragte Harry.
    Tom schüttelte den Kopf. »Die haben beide geschlafen. Ich wollte sie nicht aufwecken.«
    »Okay, aber wir müssen zurück.« Er legte Tom eine Hand auf die Schulter und schob ihn nachdrücklich den Hügel hinauf. Wenn Alice und Gareth aufwachten und feststellten, dass noch ein Kind verschwunden war, würden sie vermutlich völlig durchdrehen.
    Sie stießen auf den Weg, und Harry wagte endlich, etwas zu sagen. »Tom, ich glaube, ich habe gerade dieses Mädchen gesehen, von dem du sprichst. Das Mädchen, das Millie Ebba nennt.«
    Tom blieb stehen und sah zu ihm auf. »Sie haben sie gesehen?«
    »Ja. Weitergehen.« Harry gab Tom einen sanften Schubs, und sie stiegen weiter den Hügel hinauf. »Sie war eben in der Kirche.«
    »Sie ist gruselig, nicht wahr?«
    »Na ja, ich konnte sie nicht besonders gut sehen.« Sie waren jetzt ganz in der Nähe der Friedhofsmauer. »Tom, hast du eine Ahnung, wer sie ist, wo sie wohnt?«, fragte Harry.

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