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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Glaskästen befestigt, wie in einem Museum, und ihr Inhalt hatte das Interesse der Fletcher-Jungen und ihres Vaters geweckt. Harry gesellte sich zu ihnen. In den Kästen waren archäologische Artefakte ausgestellt, die auf dem Moor gefunden und von den Renshaws in ihrem eigenen Privatmuseum bewahrt worden waren. Feuersteinwerkzeuge aus der Jungsteinzeit, Waffen aus der Bronzezeit, römischer Schmuck, sogar der eine oder andere menschliche Knochen.
    Lange konnte er sich das alles nicht anschauen, ehe seine Aufmerksamkeit anderweitig in Anspruch genommen wurde. Wieder und wieder stellten Gäste sich ihm vor, bis er keinerlei Hoffnung mehr hatte, sich irgendwelche Namen merken zu können.
    Nach etwa einer Stunde hatte er anscheinend die Bekanntschaft aller Anwesenden gemacht. Allmählich wurde es heiß im Saal. Er strebte auf die Tür zum Garten zu, hielt jedoch inne, als er die Fletcher-Jungen und ein paar Kinder aus dem Ort um die Erntekönigin auf dem Schulmeisterthron versammelt sah. Über ihre Köpfe hinweg schaute Harry den flinken, geschickten Fingern von Sinclairs Ältester bei der Arbeit zu.
    Sie war eine große Frau, fast eins achtzig, und kräftig gebaut. Ende dreißig, schätzte er, vielleicht auch Anfang vierzig. Ihr Haar war von sattem Dunkelbraun, und ihre Haut wies kaum eine Falte auf. Sie wäre eine attraktive Frau gewesen, wäre nur ein Funke von Intelligenz hinter diesen großen braunen Augen gewesen und hätte ihr Mund nicht schlaff offen gestanden, als hätte sie vergessen, dass es üblich war, ihn geschlossen zu halten.
    Vielleicht hatte sie es ja wirklich vergessen. Vielleicht war jedes Quäntchen Denken in ihrem Kopf auf ihre Hände konzentriert. Diese Hände bewegten sich unglaublich schnell. Schnürten, drehten, flochten, als die letzten Halme, inzwischen eingeweicht und geschmeidig gemacht, in Form gebracht wurden. Ihre Augen blickten starr geradeaus; nicht ein einziges Mal schaute sie auf ihre Arbeit hinab, doch in der kurzen Zeit, die sie auf dem Stuhl gesessen hatte, war eine ungefähr fünfzehn Zentimeter lange Schlinge entstanden. Jetzt befestigte sie lange Halme, wand und wob sie in Form.
    »Das ist eine Penninische Spirale«, ließ sich eine Stimme vernehmen. Harry und die Jungen drehten sich gleichzeitig um und sahen, dass Tobias Renshaw zu ihnen getreten war. »Strohpüppchen gibt es überall in England. Das ist ein alter Brauch«, fuhr der alte Mann fort, »aber in jeder Region werden sie anders geflochten. Die Spirale gilt als eine der schwierigsten Techniken. Bei meiner Enkelin sitzt das ganze Gehirn in den Fingern.«
    Schnell blickte Harry zu Christiana hinüber. Ihr Gesicht verzog sich kurz, doch ihr Blick blieb unbeirrbar. Genau wie ihre Hände.
    »Sie sieht aus, als ob sie sich enorm konzentriert«, meinte Harry. »Stört es sie, wenn man ihr zusieht?«
    »Christiana lebt in ihrer eigenen Welt«, sagte der Alte. »Ich bezweifle, dass sie weiß, dass wir hier sind.«
    Harry sah, wie Christiana ihrem Großvater einen raschen Blick zuwarf, und legte den Fletcher-Jungen die Hände auf die Schultern. »Kommt, ihr zwei«, sagte er. »Lassen wir Miss Renshaw in Frieden. Wir können ihre Arbeit später bewundern.«
    Er drehte sich um und schickte sich an, die Jungen in den Garten hinauszulotsen und ihre Eltern zu suchen. Tobias legte ihm die Hand gegen die Brust und hielt ihn zurück.
    »Unserer Bräuche sind Ihnen bestimmt zuwider, Reverend«, sagte er. Der Druck seiner Hand fühlte sich für einen so alten Mann verblüffend stark an, und Harry kämpfte gegen die Versuchung an, sie wegzustoßen.
    »Überhaupt nicht«, beteuerte er, »Rituale sind sehr wichtig für die Menschen. In der Kirche wimmelt es nur so davon.«
    »Ganz richtig«, erwiderte Tobias mit seiner leisen, kultivierten Stimme und ließ die Hand sinken. »Ereignisse wie diese halten Gemeinschaften zusammen. Nur sehr wenige von den Männern, die heute Abend hier sind, sind noch in der Landwirtschaft tätig – sie haben Jobs in den umliegenden Städten oder sind selbstständig; manche haben auch gar keine Arbeit. Aber beim Halsabschneiden machen sie alle mit, weil ihre Väter und ihre Großväter es schon so gehalten haben. Dadurch und durch ähnliche Traditionen empfinden sie eine Verbundenheit mit dem Land. Können Sie das verstehen?«
    »Ich bin am unguten Ende von Newcastle aufgewachsen«, antwortete Harry. »Vom Land haben wir nicht viel gesehen.«
    »Alles, was Sie heute Abend zu sich nehmen werden, ist im Umkreis

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