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Bluternte: Thriller

Bluternte: Thriller

Titel: Bluternte: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Korridor hinunter.
    »Wenn eine Gemeinschaft einen ungewöhnlichen Verlust erleidet, dann können die Auswirkungen eine ganze Weile spürbar sein«, erklärte Steve. »Der betreffende Ort hat in der Außenwelt plötzlich eine etwas düstere Reputation, und das kann mit der Zeit das Denken und Verhalten der Bewohner beeinflussen. Er hat einen Aufsatz darüber veröffentlicht, darin ging es um Ortschaften wie Hungerfort, Dunblane, Lockerbie oder Aberfan. Ich schaue mal nach, ob ich den für Sie ausgraben kann.«
    Sie bog um die Ecke und fuhr beinahe in eine Gruppe aus drei Kollegen hinein, die auf dem Flur plauderten. Sie traten zur Seite, und Evi nickte ihnen dankend zu. »Im British Medical Journal stand auch mal etwas darüber, ist noch gar nicht lange her«, berichtete Steve gerade. »Nach einem Unglücksfall können bis zu fünfzig Prozent der Anwohner unter psychischem Stress leiden. Die Prävalenz leichter bis moderater Befindlichkeitsstörungen kann sich verdoppeln. Sogar schwere Störungen wie Psychosen treten vermehrt auf.«
    »Aber Sie reden hier doch sicher von Katastrophen größeren Ausmaßes? Erdbeben, abstürzende Flugzeuge, explodierende Chemiefabriken. Hohe Opferzahlen.« Evi rollte an einer Frau mit einem Kind vorbei, dann an einem Pfleger.
    »Stimmt, und ich will auch gar nicht andeuten, dass man ein paar tote Kinder irgendwie damit vergleichen kann. Aber Megans Fall hat große Aufmerksamkeit erregt. Er hat sich sicherlich auf das seelische Befinden der Leute im Ort ausgewirkt. In gewisser Weise werden sie sich dafür verantwortlich fühlen. Sie werden meinen, dass ihnen ein Makel anhaftet.«
    »Also könnte das, was damals passiert ist, sich auf die Genesung meiner Patientin auswirken, und wenn auch nur unbewusst?«
    »Das würde mich nicht im Geringsten überraschen. Vielleicht sollten Sie mehr darüber in Erfahrung bringen, was wirklich passiert ist, als die Tochter Ihrer Patientin umgekommen ist. Lesen Sie ein paar alte Zeitungen, unterhalten Sie sich mit dem behandelnden Arzt. Das verschafft Ihnen einen Anhaltspunkt. Dann können Sie das, was sie Ihnen erzählt, mit dem vergleichen, was Sie über die Fakten wissen. Schauen Sie, ob es da irgendwelche Diskrepanzen gibt. Sie dürfen es natürlich nicht auf eine Konfrontation anlegen, aber manchmal erfahren wir durch das, was unsere Patienten nicht sagen, mehr als durch das, was sie uns erzählen. Klingt das logisch?«
    Evi hatte den Haupteingang der Klinik erreicht. Irgendein Idiot hatte einen Stapel Kisten oben auf der Rollstuhlrampe stehen lassen. »O ja«, sagte sie und betrachtete die Kisten mit finsterer Miene. »Danke, Steve. Jetzt muss ich Schluss machen, ich muss hier jemanden gründlich zusammenstauchen.«

30
     
10. Oktober
    »Ein Jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde«, las Harry. Seine Stimme, die nur selten tiefe Töne anschlug, hallte in der leeren Kirche wider. »Geboren werden hat seine Zeit, und sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, und ernten hat seine Zeit …«
    Ein Scharren hinter ihm. Er hielt inne. Ein rascher Blick über die Schultern verriet ihm, dass er noch immer allein in der Kirche war. Vor zehn Minuten hatte er sich von Alice verabschiedet und drei oder vier Minuten später von Gillian. Beide hatten ihm geholfen, letzte Hand an die Erntedekorationen zu legen. Er hätte es gesehen, wenn jemand hereingekommen wäre. Wenn man auf der Kanzel stand, entging einem nicht viel.
    »… ernten hat seine Zeit«, fuhr er fort und suchte mit dem Blick die Bankreihen ab, obwohl er sich sicher war, dass das Geräusch von irgendwo hinter ihm gekommen war. »Töten hat seine Zeit, und …« Wieder stockte er, dieses Gefühl zwischen seinen Schulterblättern gefiel ihm nicht. Das Gefühl, dass jeden Augenblick irgendjemand hinter ihm die Hand ausstrecken würde und …
    Harry schaute wieder auf seine Notizen hinunter. Prediger Salomo, Kapitel 3, kam zur Erntezeit immer gut an. Den Leuten gefiel die simple Schönheit des Textes, das Gefühl des Gleichgewichts, das er vermittelte, das Gefühl der Vollständigkeit.
    »Töten hat seine Zeit«, sagte ein kleines Stimmchen hinter ihm.
    Harry hielt den Blick fest auf die Empore gerichtet und wartete. Im Kirchenschiff knarrte etwas, aber altes Holz knarrt nun einmal. Einen Moment lang überlegte er, ob die beiden Fletcher-Jungen sich wieder in die Kirche geschlichen hatten, doch das eben hatte sich nach keinem der beiden angehört. Er

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