Blutfehde
kämpfende Opfer beigebracht hatte, vorausgesetzt, wir würden ihn früh genug finden.« Genco sah den Angeklagten direkt an. »Mr Quillian hatte keine derartigen Verletzungen.«
Ich wollte meinen Zeugen gerade an Lern Howell übergeben und überflog zum letzten Mal meine Checkliste, um dann den Richter zu bitten, die grauenvollen Fotos den Geschworenen zu übergeben.
Die Stille, die auf Gencos Schilderung von Amandas letzten Minuten folgte, wurde von lautstarken Stimmen zerrissen, die aus dem hinteren Teil des Gerichtssaals kamen. Wie bei allen medienträchtigen Prozessen in Manhattan war der Saal brechend voll, und der Rest drängte sich draußen auf dem Gang in der Hoffnung, irgendwann einen Platz zu ergattern.
Der Gerichtspolizist, der allein für Ordnung zu sorgen hatte, rang mit einem großen, blassen Mann in einem blauen Seersucker-Anzug, der an ihm vorbeiwollte.
Ich sah mich um, als Richter Gertz mit dem Hammer auf den Tisch schlug und den Saal zur Ordnung rief.
Preston Meade, Kates gehörnter Ehemann, kam an meinen Tisch gerannt, der von den Zuschauerreihen durch ein Geländer abgetrennt war, und rief dabei laut meinen Namen.
6
»Er wollte dich nur öffentlich demütigen, Kid. So wie du es heute Vormittag mit ihm gemacht hast.«
»Ich? Ich habe gar nichts getan außer -«
»Außer den Charakter deiner ersten Zeugin völlig falsch eingeschätzt zu haben«, sage Mike. »Wahrscheinlich hoffte Mr Meade, dass er als Unruhestifter im Gerichtssaal für mehr Schlagzeilen sorgen würde als seine untreue Ehefrau.«
Richter Gertz hatte die Ruhe wiederhergestellt und die Geschworenen länger als geplant zurückgehalten, indem er Lern Howell erlaubte, den Verhandlungstag mit dem Kreuzverhör von Dr. Genco zu beenden. Es war bereits nach sechs Uhr, als ich mit Mike in mein Büro zurückging, um die für den nächsten Tag vorgesehenen Zeugen anzurufen und ihr Erscheinen zu bestätigen.
»Änderst du die Reihenfolge?«
Ich strich ein paar Namen von der Liste und verschob einige Zeugen auf die nächste Woche. »Und ob. Fürs Erste halte ich mich an die Forensik. Kalte, klinische Fakten.«
Ich wählte die Pager- und Privatnummern sowohl der Spurensicherungsexperten, die das Stadthaus der Quillians erfolglos nach Fingerabdrücken abgesucht hatten, als auch die des forensischen Biologen, der in stundenlanger Kleinarbeit vergeblich versucht hatte, winzige Spuren von DANN an oder in der Nähe der Leiche zu finden. Um Viertel nach sieben hatte ich meine Präsentation für den nächsten Tag umstrukturiert und war bereit, Feierabend zu machen.
»Schauen wir doch mal, wie der heutige Tag im Fernsehen rüberkommt«, sagte Mike und steuerte in Richtung des PR-Büros im Hauptkorridor des achten Stocks. Es war Aufgabe der Pressesprecherin, Brenda Whitney, die Berichterstattung über alle Fälle der Staatsanwaltschaft in den Medien - Fernsehen und Printmedien - zu verfolgen und dem langjährigen Bezirksstaatsanwalt Paul Battaglia täglich darüber zu berichten.
»Hat Brenda dir die Schlüssel dagelassen?« Eine ganze Reihe von Fernsehgeräten lief den ganzen Tag, damit die Mitarbeiter die landesweiten Nachrichten verfolgen konnten - Battaglias kreative Ermittlungen gegen die White-Collar-Kriminalität wirbelten häufig die gesamte Geschäftswelt durcheinander - und auch die ständig sich wiederholenden Meldungen der diversen Lokalsender.
Mike ließ den Schlüssel über die Schulter baumeln, während er mein Büro verließ. »Komm mit. Wir schauen uns einen Nachrichtenblock an, und dann kannst du mich zum Abendessen einladen. Wir treffen uns in einer Stunde mit Mercer.«
»Ich hab doch gesagt, dass ich nichts essen kann.« Ich packte ein paar Ordner zusammen, die ich nach Hause mitnehmen wollte, und schaltete das Licht aus.
»Du musst für den Rest der Schlacht bei Kräften sein. Ich glaube, Lern hat sich schon die Zähne geschliffen, um dich in Stücke zu zerreißen.«
Wir schlossen den Presseraum auf, und Mike schaltete eins der Fernsehgeräte an. Der lokale Nachrichtensender wiederholte seine Schlagzeilen drei Mal pro Stunde, also konnte es sich nur um Minuten handeln, bis die Aufnahmen von den Stufen vor dem Gerichtsgebäude noch einmal gesendet wurden.
Mercer hatte gute Arbeit geleistet. Er war mit Kate Meade durch den Hinterausgang entschlüpft, sodass die Presse keine Aufnahmen hatte, mit denen sie ihre Berichterstattung unterlegen konnte. Stattdessen gab es Aufnahmen von Preston Meade, der von drei
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