Blutfehde
wegzureißen. Sie wollte sich nicht selbst verletzen, aber jedes Mal, wenn der Angreifer fester zudrückte, wollte sie seine Hände wegreißen. Strangulation ist eine sehr langsame und vorsätzliche Art, jemanden umzubringen.« Genco rückte seine Brille wieder gerade und blickte auf. »Es ist ein besonders schmerzhafter Tod.«
Howell verzichtete auf Einspruch. Die Aussage des Pathologen war nicht rückgängig zu machen, und die Verteidigung würde einfach argumentieren, dass der Mord von einem unbekannten Gewaltverbrecher begangen worden und Brendan Quillian zu dem Zeitpunkt weit weg gewesen war. Im Verlauf der drastischen Beschreibung von Amandas Todeskampf strich Howell seinem Mandanten wie zum Trost über den Rücken.
Ich ging mit Genco alle Kratzwunden durch, um den Geschworenen zu veranschaulichen, wie Amanda Quillian das vierte, fünfte, sechste Mal ihre Nägel in die riesigen Hände geschlagen hatte, um Luft zu bekommen. Ich schielte zur Geschworenenbank, als der Mediziner erklärte, die Abschürfungen am Kinn der jungen Frau rührten daher, dass sie den Kopf gesenkt hatte, um ihren exponierten Hals zu schützen.
»Ich wiederhole meine Frage, Dr. Genco: Können Sie abschätzen, wie lange Mrs Quillian kämpfte, bevor sie das Bewusstsein verlor?«
»Ja, das kann ich, Ms Cooper. Wird beispielsweise ein konstanter Druck auf die Halsschlagader ausgeübt, ist man innerhalb von fünfzehn, zwanzig Sekunden bewusstlos. Aber das war hier nicht der Fall.«
Genco wiederholte die Autopsiebefunde: die zyanotische Verfärbung von Amandas Gesicht; die blauen Druckstellen am Hals, wo die Kompression erfolgte; die Petechien, die Blutungen, in den Augen und auf den Augenlidern; und das gebrochene Zungenbein, ein hufeisenförmiges Gebilde am Mundboden unterhalb der Zunge, das gewaltsam zerdrückt worden war.
»Ich würde sagen, dass man aufgrund der Art und Anzahl der Verletzungen auf Mrs Quillians Hals und Gesicht sowie ihrer inneren Verletzungen davon ausgehen muss, dass dieser Kampf ungefähr zwei bis drei Minuten andauerte. Vielleicht waren es auch vier.« Genco sah auf die Uhr über der Eingangstür des Gerichtssaals.
In meinem Schlussplädoyer würde ich die medizinischen Befunde noch einmal wiederholen und schweigend stehen bleiben, während der Sekundenzeiger langsam um das Ziffernblatt wanderte, um die Geschworenen daran zu erinnern, wie lange diese Zeit war. Amanda Quillians Todeskampf war so entsetzlich gewesen, dass ich mir keine Gelegenheit entgehen lassen würde, das immer und immer wieder zu betonen.
Zu dem Zeitpunkt würde ich der Jury auch unsere Vermutungen unterbreiten, dass ihr der große Saphirring auf Brendan Quillians Anweisung hin abgenommen und der noch warme Körper in einer verwüsteten Umgebung zurückgelassen worden war, um einen fehlgeschlagenen Einbruch vorzutäuschen. Der Mörder konnte von Glück sagen, dass er das Haus knapp zwei Minuten, bevor die ersten Cops in die Straße einbogen, verlassen hatte.
Ich war mit meiner Vernehmung fast am Ende und musste nur noch ein paar Punkte klären. Nach dem unerwarteten Unterhaltungswert, den ihnen die Zeugin Kate Meade am Vormittag beschert hatte, schien Jerry Gencos Auftritt die Geschworenen und die Zuschauer wieder ernüchtert zu haben. »Haben Sie Brendan Quillian kennen gelernt?«
Genco schob die kaputte Brille hoch und sah zu dem Angeklagten, der sich aufrichtete und seinen Blick erwiderte. »Ja, das habe ich. Er kam am nächsten Tag, am vierten Oktober, in mein Büro.«
Ich hielt mich nicht mit Fragen nach seinem Auftreten auf. Ich würde argumentieren, dass es Teil seines Plans gewesen war, den trauernden Witwer zu spielen. »Hat er Ihnen gesagt, wo er am dritten Oktober war?«
»Ja, er erwähnte, dass er in Boston gewesen sei. Dass er am späten Abend nach New York zurückgeflogen sei, nachdem Detective Chapman ihm den Tod seiner Frau mitgeteilt hatte.«
»Haben Sie das Gesicht oder Körperteile des Angeklagten untersucht?«
»Ja, das habe ich.«
»Wonach haben Sie gesucht?«
Quillian hatte die Hände zusammengefaltet vor sich auf den Tisch gelegt. Er hatte lange, schlanke Finger, die - wie wir von Anfang an gewusst hatten - kaum als Mordwaffe in Frage kamen.
»Detective Chapman und ich waren überzeugt, dass der Mörder bei diesem Kampf ebenfalls Verletzungen davongetragen haben musste. Nach meiner Einschätzung hätte er zahlreiche Schnitt- und Kratzwunden im Gesicht und an den Händen haben müssen, die ihm das verzweifelt
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