Blutfehde
gefunden.
Ich parkte neben der Scheune und blieb einen Augenblick stehen, um den Ausblick über den Rasen hinaus aufs Meer zu genießen - eine Aussicht, die immer wieder Balsam für meine Seele war.
Der Anrufbeantworter war voll. Ich schleuderte meine Schuhe von mir, öffnete die Verandatüren und setzte mich auf die von blassblauen Hortensienbüschen gesäumten Stufen, um die Nachrichten abzuhören.
»Ich bin’s. Wir sind gestern Abend angekommen. Ruf mich sofort an, wenn du da bist.« Joans Stimme sprühte vor Glück, so wie sie selbst, seit Jim ihr den Heiratsantrag gemacht hatte.
Sie hatte ein zweites Mal angerufen, um mich zu fragen, ob ich noch einen zusätzlichen Gast unterbringen könnte, einen Freund von Jim aus Europa, der sich erst in letzter Minute zum Kommen entschlossen hatte.
Die restlichen Nachrichten waren von dem Catering-Service und der Floristin, von Freunden, die wissen wollten, was Joan für das Wochenende geplant hatte, von dem Fotografen und dem Kapitän, den Jim angeheuert hatte, um nachmittags mit seinen Freunden zum Haifischen rauszufahren. Dazwischen war noch ein Update von Max aus dem Büro.
Der letzte Anruf war erst ein paar Minuten alt. Nina Baum, meine beste Freundin und frühere Mitbewohnerin am College, hatte angerufen, bevor sie in Los Angeles die 8-Uhr-Maschine nach Boston genommen hatte. Wir hatten uns seit Monaten nicht gesehen, aber ihr konnte ich - ebenso wie Joan - alles anvertrauen, was in meinem Leben passierte - oder nicht passierte. Nina bestätigte ihren Anschlussflug mit Cape Air und wäre am späten Abend nach dem Essen hier. Ihr Mann könne sie aber leider doch nicht begleiten, da gerade ein Drehbuch von ihm verfilmt wurde.
Das Telefon klingelte erneut, als ich in die Küche ging, um die Dekorationen und Blumenarrangements zu begutachten, die über das ganze Haus verteilt waren.
»Warum hast du mich nicht angerufen?«, fragte Joan.
»Ich bin gerade erst vor fünf Minuten angekommen.«
»Kannst du glauben, dass es wirklich passiert?«
»Ich fange langsam an, es zu glauben. Und du?«
»Sofern ich Jim nicht vorher in die Flucht schlage. Ich muss zu dir rüberkommen. Der Arme sitzt gerade an einem Artikel über einen irakischen Rebellen, der heute vier Geiseln enthauptet hat, er ist drauf und dran, die nächste Fähre zum Festland zu nehmen, weil ihn die fantastische Aussicht von unserem Zimmer und mein ständiges Geplapper immer wieder ablenken. Kann ich ihn auch in seiner Abwesenheit heiraten?«
Jim Hageville, der Bräutigam, war Journalist und Experte für Außenpolitik, dessen landesweite Kolumne ein tägliches Muss für gebildete Zeitungsleser war. Joan pendelte als erfolgreiche Bühnen- und Romanautorin zwischen Washington und New York. Sie war in beiden Städten für ihre phänomenalen Dinnerpartys bekannt, bei denen sie Intellektuelle, Politiker, Schriftsteller und alte Freunde wie mich und Nina bunt durcheinanderwürfelte, und sie war immer auf dem Laufenden über die Gesellschaftsverbrechen innerhalb der High Society, in der sie aufgewachsen war, während ich eher für die Niederungen der Gesellschaft zuständig war.
»Bist du im Outermost Inn?«, fragte ich. »Dann komm einfach rüber. Ich mach uns Kaffee.«
»Hast du meine Nachricht wegen Luc bekommen?«
»Wer ist Luc?«
»Jims Freund. Kann sein, dass ich seinen Namen nicht gesagt habe. Wie dem auch sei, dieses Wochenende finden hier auf der Insel drei Hochzeiten statt, es ist kein einziges Hotelzimmer mehr aufzutreiben. Ich suche verzweifelt nach einer Bleibe für ihn.«
»Natürlich kann er hier unterkommen, wenn es ihm nichts ausmacht, der Hahn im Korb zu sein. Nina schläft im großen Gästezimmer, Lynn und Cathy haben die Suite im ersten Stock, also bleibt für Luc das kleine Schlafzimmer mit dem Gartenblick.« Ich hatte das Zimmer frei gehalten, für den Fall, dass ich Mike und Mercer doch noch zum Kommen überredet hätte.
»Das macht ihm bestimmt nichts aus. Im Gegenteil. Da bin ich aber erleichtert, Alex. Er kommt, glaube ich, erst morgen. Ich bin in zehn Minuten bei dir, okay?«
Ich rief Laura an, die mir versicherte, dass im Büro alles ruhig war. Dann setzte ich den Kaffee auf und ging mit dem Telefon auf die Veranda, um Mike auf dem Handy anzurufen. Er hob nach dem zweiten Klingelton ab, also wusste ich, dass er weder in einem Tunnel noch bei einer Autopsie war.
»Was gibt’s Neues von der Kapelle der Liebe?«, fragte er.
»Joan ist total aufgedreht und nervös, so wie es
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