Blutfehde
Mitbewohnerinnen geworden, aber später hatten wir privat und beruflich getrennte Wege eingeschlagen: Nina heiratete ihren Freund, mit dem sie bereits während des Studiums liiert war, brachte einen Sohn, Gabe, zur Welt und wurde Partnerin in einer renommierten Anwaltskanzlei in Los Angeles, die auf das Packaging großer Unterhaltungsprojekte für Film und Fernsehen spezialisiert war.
Ich schenkte mir ein Glas von dem Sancerre ein, den Nina bereits geöffnet hatte, setzte mich in Sweatshirt und Leggings neben den Sessel und legte meinen Kopf auf ein Kissen zu ihren Füßen.
Wir erzählten uns das Neueste von unseren Familien, dann lauschte ich Ninas Schilderung ihrer letzten Vertragsverhandlungen, und im Gegenzug hörte sie mir geduldig zu, als ich ihr sagte, wie ich mit Lern Howells potenziellem Antrag auf eine Einstellung des Verfahrens wegen mangelhafter Beweisführung umgehen wollte.
»Jetzt komm endlich zum Punkt, Alex.« Sie gähnte und zog sich die Kaschmirdecke über ihren Bademantel. »Hast du mir nicht gesagt, dass du jemanden zur Hochzeit mitbringen würdest? Fast einen Monat lang hast du seinen Namen in jeder E-Mail erwähnt. Bis er dann plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war.«
»Wie gekommen, so zerronnen. Ich hab mich ein bisschen übernommen, und unsere geliebte Braut war mir nicht gerade eine große Hilfe.«
»Das war der Typ, den du im Flugzeug aufgerissen hast?«
»Ja, Dan Bolin. Wir haben uns im April kennen gelernt, als Joanie übers Wochenende mit mir hier war. Er war von Anfang an viel zu forsch, aber selbst sie fand ihn charmant. «
»Habt ihr…?«, fragte Nina mit hochgezogener Augenbraue, um mir ein Geständnis zu entlocken.
»Nein. So weit ist es nicht gekommen.«
Sie stupste mich mit dem Zeh ans Knie. »Hey, ich bin’s. Mir kannst du die Wahrheit sagen.«
Ich lächelte und nahm einen Schluck Wein. »Wie sich herausstellte, waren er und seine Frau doch nicht so getrennt, wie er mir anfangs erzählt hatte. Er hatte donnerstagabends nie Zeit. Ich kaufte ihm ab, dass er da immer mit ein paar Freunden zum Racquetball und anschließend essen ging.«
»Und was machte er wirklich?«
»Eine Paartherapie. Sie suchten noch immer einen Weg, sich wieder zu versöhnen. Dan gehört einfach zu denen, die es nicht ertragen, auch nur eine Minute allein zu sein.«
»Gott sei Dank hat er es dir noch rechtzeitig gesagt.«
»Er hat es mir nicht gesagt. Die Floristin hat es mir gesagt.«
»Was?«
»Er übertrieb’s mit den Blumen. Das war seine Masche. Immer und überall Blumen. Ungefähr sechs Wochen, nachdem wir uns kennen gelernt hatten, muss die Sitzung beim Therapeuten besonders ergreifend gewesen sein. Er schickte seiner Frau einen herrlichen Blumenstrauß, und meiner war angeblich auch nicht so übel.«
»Du hast ihn nie gesehen?«
»Nein. Die Floristin verwechselte die Lieferadressen. Ich bekam also den eigentlich an sie adressierten Strauß mit einem Brief, in dem er ihr die große Versöhnung in Aussicht stellte, sobald er klarer denken konnte, und sie erhielt seine Liebesschwüre oder was immer er sich an verführerischen Worten ausgedacht hatte, um mich ins Bett zu kriegen. Die ganze Sache war vorbei, noch ehe sie richtig begonnen hatte.«
»Manchmal, wenn ich mit dem Elternbeirat und den Spielgruppen und Fahrgemeinschaften zu tun habe, beneide ich dich schrecklich um dein Leben. Und dann denke ich wieder, wie elend ich mich fühlen würde, wenn ich wieder Single wäre, und dass ich um nichts auf der Welt mit dir tauschen würde. Wollte Joan dich nicht vor ein paar Monaten mit jemandem verkuppeln?«
Ich drehte mich zur Seite und blickte durchs Fenster auf den Vollmond, der auf den Rasen und das Wasser unten am Hang schien.
»Sie hat immer jemanden für mich in Aussicht. Ich kann Blind Dates nicht ausstehen. Ich kann ja nur über meine Arbeit reden.«
»Mach dich nicht lächerlich. Du hast tolle Freunde, du machst interessante Dinge, du bist unheimlich belesen, und du hast das Glück, einen Beruf zu haben, der dich emotional enorm befriedigt.«
»Ja, aber die meisten Männer denken, dass ich den Job mache, weil ich Männer hasse oder so.«
»Kapieren sie denn nicht, wie viel es einem gibt, Opfern vor Gericht zu ihrem Recht zu verhelfen und ihnen ein Stück ihrer Würde wiederzugeben?«, sagte Nina. »Männer wie Mike verstehen das. Warum konntest du ihn nicht überreden, dieses Wochenende mitzukommen?«
Ich stand auf, küsste Nina auf den Kopf und umarmte sie. »Vals
Weitere Kostenlose Bücher