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Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)

Titel: Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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in die Hauptschlagader am Herzen. Der Gerichtsmediziner kommentierte eine Weile den Winkel zwischen dem Einschussloch und der Stelle, wo das Projektil den Körper wieder verlassen hatte. Schwenke wollte keine Schlussfolgerungen formulieren. Er nahm nur an, dass Killi auf der Bank gesessen und der Täter vor ihm gestanden hatte, als der Schuss fiel. Aber da die Waffe offenbar aus sehr großer Nähe abgefeuert worden war, konnte der Winkel ebenso durch die Position der Waffe wie durch die unterschiedliche Position von Opfer und Täter zu erklären sein.
    Gunnarstranda fragte, ob Schwenke etwas über Killis Alkoholspiegel sagen könnte.
    »Er war sternhagelvoll. Mehr ist dazu nicht zu sagen.«
    Ruben Andresen liebte Handfeuerwaffen. Diese Liebe erwuchs aus einer angeborenen Begeisterung für Ingenieurkunst und Handwerkstraditionen. Er war fasziniert von gedrehten, gefeilten und polierten Metallteilen, die ineinanderfassten – von der millimetergenauen Präzision, die Schließ- und Auslösemechanismen in älteren und neueren Handfeuerwaffen kennzeichnete. Er verglich fein konstruierte Handfeuerwaffen gern mit Schmuckstücken. Manche waren schwer und prunkvoll. Andere waren ganz anonym. Aber sie konnten auch elegant, feminin, klassisch oder traditionell sein – oder annähend perfekt – aus ästhetischer oder künstlerischer Perspektive betrachtet. Handfeuerwaffen stellten immer einen Kompromiss zwischen Funktionalität und Design dar.
    Ruben Andresen pflegte seine Leidenschaft sowohl privat als auch beruflich. Er war ein eifriger Jäger, der seine eigene Munition herstellte, und er war Ballistikexperte. Jetzt wollte er den Ermittlern dringend mitteilen, was er herausgefunden hatte. Doch Gunnarstranda und Starum waren verspätet. Er hatte fast eine Viertelstunde gewartet.
    Als sich die Tür schließlich öffnete, erhob sich Andresen halb von seinem Stuhl, und sie gaben sich über dem Tisch die Hand.
    »Nun ist es also klar«, sagte Starum mehr zu sich selbst als zu den beiden anderen, als sie sich gesetzt hatte, »Ivar Killi ist an den Schussverletzungen gestorben.«
    Sie nickte Andresen zu, der ein Papier vom Stapel auf dem Tisch nahm und begann: »Die Kugel wurde aus großer Nähe abgefeuert. Kaliber 45, und das ist, wie Sie sicher beide wissen, ein sehr schweres Kaliber.« Andresen hob ein paar Plastiktüten hoch und sagte: »Ich habe ein paar Beispiele dabei.«
    Starum fragte: »Aufgesetzt?«
    Andresen nickte. »Mit großer Wahrscheinlichkeit, ja. Die Waffenmündung war in Berührung mit der Jacke des Opfers.«
    Andresen litt unter kleinen Ticks, wenn er mit Unkundigen über fachliche Dinge sprach. Das führte dazu, dass er ständig mit den Schultern rollte, als würde er einen unangenehm kratzenden Pullover tragen. Jetzt machte er diese Bewegung ununterbrochen, während er fortfuhr: »Wir haben es mit einer Waffe zu tun, die acht Spuren im Lauf hat, acht linksdrehende Spuren, was meines Erachtens sehr günstig ist.« Er sah wieder auf und versuchte nicht zu lächeln, ohne Erfolg. Er zitterte innerlich vor unterdrückter Freude und wollte endlich mitteilen, was er herausgefunden hatte. Aber die unübersehbare Freude löste bei seinen Zuhörern nicht den leisesten Hauch einer Reaktion aus. Die Stimmung zwischen Gunnarstranda und Starum war gedrückt. Andresen räusperte sich erneut: »Die Spurbreite im Lauf ist auch außergewöhnlich –«
    Vibeke Starum unterbrach ihn: »Wir brauchen eigentlich keine Details aus Ihrem Bericht. Können Sie sagen, mit was für einer Waffe er erschossen wurde?«
    Ruben Andresen senkte den Blick. Die Chance, unter diesen Bedingungen auf den richtigen Waffentyp zu schließen, war minimal. Der Schlüssel zu der Information lag versteckt in einer Kombination aus hochkarätiger Fachkompetenz und feinstem Handwerk. Andresen wusste es – er wusste, dass es in diesem Land nur einen einzigen Menschen gab, der das hatte herausfinden können, nämlich ihn selbst. Ihnen den Waffentyp zu servieren sollte die Krönung seines Werkes sein. Ein Geschenkpäckchen, serviert auf einem Silbertablett. Doch Vibeke Starum hatte ihm den Wind aus den Segeln genommen. Andresen hatte plötzlich keine Lust mehr, ihr zu erzählen, was er wusste. Er holte tief Luft und fühlte sich wie ein norwegischer Gourmet, der gezwungen war, Touristen einen perfekt zubereiteten Schafskopf aufzutischen, die beim Anblick des Essens nur Grimassen schnitten und sich erbrechen mussten. Er sagte: »Mit großer Wahrscheinlichkeit,

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