Blutfeinde: Norwegen Krimi (German Edition)
jedenfalls eine Kamera, mit der solche Fotos gemacht wurden.«
»Weiß jemand, dass du den Chip hattest?«
»Ich habe es Petter Bull und Emil Yttergjerde gesagt. Habe sie gestern getroffen, als ich hier ankam. Hab gefragt, ob sie die Bilder auf einen PC rüberziehen könnten. Darin bin ich nämlich nicht so gut. Sie haben auch mit anderen gesprochen, denn es haben mich mehrere nach den Fotos gefragt.«
»War jemand besonders interessiert?«
Gunnarstranda zuckte die Achseln und trommelte mit den Fingern ungeduldig auf die Schreibtischplatte. »Erst verschwindet Killis PC und jetzt seine Fotos. Das gefällt mir überhaupt nicht.«
»Tut mir leid, aber ich bin nicht im Bilde«, sagte Frølich.
»Es wurde ein Laptop aus seiner Wohnung entfernt. Und jetzt die Fotos.«
Frølich stand eine Weile nachdenklich in der Tür, dann sagte er: »Tja, wenn jemand die Bilder entwickelt, kannst du sicher sein, dass wir sie zu sehen kriegen. Ich allerdings, der ich jetzt geregelte Arbeitszeiten habe, bin schon viel zu lange hier. Ich geh nach Hause.« Er konnte kaum ein selbstgefälliges Lächeln unterdrücken, als er sich umdrehte und die Tür hinter sich schloss.
11
Frank Frølich öffnete die Augen und sah direkt in die Dunkelheit. Das Telefon auf dem Nachttisch klingelte. Er drehte sich unter der Decke um. Das Telefon klingelte weiter. Das Display seines Weckers zeigte null vier zweiundzwanzig. Er griff nach dem Telefon.
»Spreche ich mit Frølich? Frank Frølich?«
»Das bin ich.«
»Hier ist das Summit .«
»Summit?«
»Die Bar aus der Topetage vom Hotel Scandinavia , ich glaube, Sie sollten herkommen und ihre Frau abholen. Sie ist nicht ganz auf der Höhe.«
»Meine Frau?«
»Also, wenn Sie nicht kommen und die Sache bereinigen, dann rufe ich die Polizei, und Sie können sie aus der Ausnüchterungszelle abholen.«
Frank Frølich blieb liegen und betrachtete das stumme Telefon. Er hatte die Antwort auf der Zunge: Sie haben die Polizei angerufen. Aber der Mann am anderen Ende hatte aufgelegt.
Frølich legte den Hörer auf die Station zurück und war plötzlich hellwach. Allerdings war er immer noch unverheiratet. Wer mich jetzt zum Narren hält, der kriegt Ärger. Wer könnte es sein? Die Nachtschicht im Präsidium?
Er griff wieder nach dem Hörer. Zögerte ein paar Sekunden, drückte dann auf den Knopf, der die Nummer des letzten Gesprächs anwählte. Es klingelte lange.
»Summit.«
»Hier ist Frank Frølich. Haben Sie mich gerade angerufen?«
»Ja, kommen Sie?«
Er räusperte sich. »Wie heißt denn meine Frau?«
»Wissen Sie nicht, wie Ihre Frau heißt?«
Frank Frølich sah zur Decke. »Wie sieht sie aus?«
Er bekam keine Antwort. Nur das Besetztzeichen hämmerte gegen sein Ohr.
Er ging ins Bad und begegnete seinem eigenen verknautschten Spiegelbild. Wer auch immer sich da als seine Frau ausgab, konnte sich auf eine ernste Aussprache mit der Polizei gefasst machen.
Als er im Fahrstuhl stand, der ihn in den einundzwanzigsten Stock bringen sollte, war es mittlerweile zehn vor fünf. Der Fahrstuhl hielt im fünfzehnten Stock. Eine Frau stieg ein, einen Drink in der Hand. Sie war um die siebzig, trug ein Kleid mit Schlitz, eine platinblonde Perücke und knallrote Lippen. Der Fahrstuhl fuhr weiter. Hielt im neunzehnten Stock. Die Frau schenkte ihm einen innigen Blick und verschwand nach rechts. Im einundzwanzigsten Stock angekommen ging er in die Bar, die einem Lokal auf der Dänemarkfähre ähnelte, mit riesigen Fenstern und Ledersofas. Aussicht über Oslo. Draußen war immer noch diesiges Sommerdunkel. Tief unter ihm: verlassene Straßen und Ampeln, die einsam von Grün auf Gelb auf Rot sprangen.
Die Bar wirkte geschlossen – und leer – abgesehen von einem jungen Mann in weißem Hemd, der hinter dem Tresen stand und Gläser auf einem Regal drapierte. Frank Frølich räusperte sich. Der Mann hob das Kinn und sah ihn mit toten Augen an. »Wir haben geschlossen.«
»Ich wurde angerufen.«
Der Typ warf den Kopf zur Seite. Frank Frølich drehte sich zum Panoramafenster mit Aussicht über den inneren Oslofjord um. Eine rote Sandale mit hohem Absatz lag auf einem Sofa. Die Sandale saß an einem Fuß mit roten Nägeln. Ein dünnes Riemchen war um einen schmalen Knöchel geschlungen, der in eine rundliche Wade überging, die wiederum in einen kegelförmigen, sonnengebräunten Schenkel mündete. Frank Frølich trat näher. Der andere Fuß ruhte auf dem Boden. Die Schenkel verschwanden unter einem kurzen
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