Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blutfeuer

Titel: Blutfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
Vom Netzwerk:
Umschweife das Laken zurück.
    Haderlein zuckte unwillkürlich zusammen. Der Anblick des Toten war
schauderhaft. Leere, orangefarbene Augenhöhlen blickten zur Decke, der Körper
war seltsam verdreht.
    »Das Blut des Mannes ist zu einer geleeartigen Masse verkocht.
Konsistenz wie Wackelpudding. Die Ursache des Blutbildes ist mir ein absolutes
Rätsel. Im Körper des Toten habe ich keinerlei verdächtige Stoffe entdecken
können, keine Einstichstellen und auch keinerlei Spuren von Fremdeinwirkung.
Ich habe in der Fachpresse nachgelesen, Kollegen befragt, nach ähnlichen Fällen
gesucht – nichts. Ich sage das nur ungern, Herr Kommissar, aber an einem Tag
wie diesem ist ja sowieso alles egal: Ich habe nicht den geringsten Schimmer,
was mit diesem Mann passiert ist. So wie mit den beiden anderen Leichen, die
dort drüben liegen. Das Einzige, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass alle drei
Personen aus Bamberg und Umgebung stammen und der Tod sie im Mittelmeerraum
ereilt hat. Zweimal Italien, einmal Mallorca. Ich möchte Sie bitten, Herr
Kommissar, sich in einer ruhigen Minute einmal mit den Akten der armen Menschen
zu befassen.« Er überreichte Haderlein eine Mappe, der in Siebenstädters Blick
tatsächlich so etwas wie stumme Verzweiflung erkennen konnte.
    Langsam begann der Kommissar zu begreifen. Daher wehte also der
Wind, daher auch der Frust in Siebenstädters Seele. Die große Koryphäe der
Erlanger Gerichtsmedizin war hilflos und wusste nicht mehr weiter.
    »Wenn Sie mich nun entschuldigen möchten, ich habe noch zu tun«,
bemerkte der Pathologe höflich und keineswegs unfreundlich. Dann verließ er den
Kommissar.
    Haderlein schüttelte noch immer grübelnd den Kopf über
Siebenstädter, genauso wie über die Toten, die er gesehen hatte, als er
Riemenschneider auf dem Boden des Beifahrersitzes absetzte. Nachdenklich
verließ er den Parkplatz der Gerichtsmedizin und lenkte den Multipla Richtung
Neuendettelsau.
    *
    Monika Schlagbauer saß im Fond des Wagens, der auf einsamen
Landstraßen in den Itzgrund rollte. Sie dachte über ihre momentane berufliche
Situation nach, während die Natur unbeachtet an ihr vorbeizog. Der Itzgrund war
ein beschauliches Tal, das sich von Coburg Richtung Süden bis Breitengüssbach
hinzog. Nach Bamberg waren es dann nur noch ein paar Kilometer. Früher war es
eine ärmliche Gegend mit keinerlei Sehenswürdigkeit gewesen, in der nichts
Sensationelles passierte. Das einzig Außergewöhnliche stellten die zahlreichen
alten Mühlen und die jährlichen Hochwasser der Itz dar, die den nach ihr
benannten Grund sehr schnell in eine geschlossene Seenlandschaft verwandeln
konnten. Nicht selten mussten im Herbst oder Frühjahr alle Straßen, die durch
die Itzgrunder Wiesen führten, von Breitengüssbach bis Coburg wegen
Unpassierbarkeit gesperrt werden.
    Das war’s dann aber auch schon mit den Außergewöhnlichkeiten. Hier
gab es keine Berge, keine richtigen Restaurants und auch keine Allianz Arena.
Hier gab es nichts als Einöde und die Aussicht auf einen Sonderplatz im
Pferdemist, dachte die Staatssekretärin. Egal, da musste sie jetzt durch. Und
je schneller sie die Angelegenheit »Gebietsreform in Mürsbach« hinter sich
bringen würde, umso besser. Sie seufzte resigniert und bereitete sich mental
auf den bestimmt sensationellen Empfang vor, den ihr der Provinzbürgermeister
bereiten würde. Irgendwann würde sie sich hier eine Wohnung suchen müssen, um
in der Nähe ihres neuen Wahlkreises einen Erstwohnsitz vorweisen zu können.
Vielleicht in Staffelstein oder Lichtenfels? Aber bis dahin würde noch viel
Zeit vergehen, noch würde sie nicht in einem dieser Käffer übernachten, sondern
in der Zivilisation auf Kloster Banz.
    »Frau Merkel, jetzt halten Sie doch mal fest. So wird das nie was!«
    Das grüne, vier Meter lange Transparent mit der Aufschrift »Freiheit
für Mürsbach« flatterte davon und wurde von einem kurzen Windstoß in die Mitte
der Dorfstraße befördert. Dort wurde es sogleich und zielgenau vom Milchlaster
aus Zapfendorf überfahren, der ungerührt seine tägliche Tour absolvierte und
seinen Frevel nicht bemerkte. Als der Tankwagen um die Ecke verschwunden war,
bückte sich Eduard Huttenlocher-Weber zu seinem malträtierten Stoffagitat.
    »Das haben Sie jetzt davon, Frau Merkel!«, herrschte er seine
Verkäuferin an. »Wie sollen wir das nur wieder sauber kriegen«, maulte er
ärgerlich. Eine akkurate Lastwagenreifenspur hatte sich quer über sein

Weitere Kostenlose Bücher