Blutfeuer
die Hände, dann tätschelte er vergnügt Lagerfelds Wange. »Nun, am
besten fangen wir mit deinen Spinnern auf dem Veitsberg an. Einverstanden? Und
dann geht’s zur Firma Bartosch. Ich bin jetzt schon gespannt, was die über
ihren Chef erzählen können.«
Lagerfeld stimmte zu, und
beide machten sich auf den Weg, nicht aber, ohne Anweisung zu geben, die Leiche
ab sofort nicht mehr ohne Bewachung irgendwo herumliegen zu lassen.
Vincent Lacroix schaute erst
verblüfft, dann musste er lauthals lachen. Das hatte er ja noch nie erlebt! Da
kam er vom anderen Ende der Alpen extra angereist, und diese Österreicher
hatten seine Obduktion verschlampt. Na, sauber! Als Vertreter der berühmten
schweizerischen Genauigkeit erfüllte ihn das mit Befremden. Immerhin war die
Sachertorte genießbar gewesen.
»Wissen Sie was, Dr.
Hofer?«, meinte er leicht anzüglich. »Ich glaube, ich weiß, wer uns da aus der
Patsche helfen kann. Neulich hat mich ein alter Bekannter aus Deutschland
angerufen, der mir die gleichen Symptome schilderte wie Sie. Der hatte sogar
drei Todesfälle von der Sorte. Zwei Erwachsene und einen Knaben. Den werde ich
jetzt umgehend …« Das Handy von Professor Vincent Lacroix unterbrach mit einem
schrillen Klingelton seinen Redefluss.
»Ach, Siebenstädter!«,
lachte der Professor, und seine üppige Wampe wackelte wie das Fett eines
Seelöwen auf und ab. »Wenn man vom Teufel spricht …!« Dann wurde seine Miene
ernst, und er hörte eine ganze Weile zu.
»Das klingt ja völlig
verrückt! Sie machen nicht zufällig wieder einen Ihrer zynischen Scherze?«,
meinte der Spezialist. »Aber diese eine Leiche haben Sie jetzt in Erlangen, und
die wird auch nicht verschwinden?«, fragte er sicherheitshalber noch einmal
nach. »Okay, Siebenstädter.« Vincent Lacroix warf einen prüfenden Blick auf
seine Armbanduhr. »Ich werde den nächsten Zug nehmen, dann müsste ich
spätestens gegen Abend bei Ihnen sein. Konnten Sie der Leiche noch Blut
entnehmen?« Gespannt wartete der Professor auf die Antwort, dann setzte er
einen enttäuschten Gesichtsausdruck auf. »Gut, da kann man nichts machen, Sie
sind halt nur Pathologe und kein richtiger Arzt, Siebenstädter. Es ist doch
immer dasselbe mit Ihnen«, stichelte der Schweizer genüsslich. Die Antwort aus
Erlangen schien ihm zu gefallen, denn er setzte ein sehr breites Grinsen auf
und beendete das Gespräch.
Auf dem Veitsberg herrschte
die gleiche feierliche Stimmung wie schon zwei Tage zuvor, als Lagerfeld wegen
des Tornadoalarms so plötzlich hatte verschwinden müssen. Nur das Wetter war
heute definitiv besser. Erst jetzt kamen ihm die letzten Worte von Daniel
Brosst, dem selbst ernannten Heiland der Gemeinschaft, wieder in den Sinn. Das
Ende Babylons.
Was sollte das nur heißen?
Angesichts dessen, dass dieser Brosst die Entstehung des Tornados vorhergesehen
zu haben schien, schauderte es ihn.
Daniel Brosst war ein
sonderbarer Fall. Jeder in Franken kannte ihn, und fast niemand nahm ihn ernst.
Das war wohl das große Drama seines Lebens. Als Sohn eines verdammt großen
Zulieferbetriebes der Flugzeugindustrie geboren, musste er von Kindesbeinen an
mit der Tatsache klarkommen, niemals arbeiten zu müssen. Was man spontan als
Glücksfall bewerten könnte, belastete den jungen Brosst Zeit seines Lebens. Es
war nicht leicht, andauernd an dem Übervater Hugo Brosst gemessen zu werden,
der das Industrieimperium mit dem Sitz in Hallstadt bei Bamberg aufgebaut
hatte. Daniel Brosst war Milliardär per Geburt. Allerdings waren die Gene in
der Familie sehr ungerecht verteilt. Im Gegensatz zu seinem gottgleichen Vater
war der kleine Daniel schon immer ein Träumer und Phantast gewesen. Leidlich
intelligent und in Sachen Betriebswirtschaft ein wenig desinteressiert, um es
vorsichtig auszudrücken. Sehr zur Sorge des Firmenbarons, der die Firma nur
allzu gern in die tüchtigen Hände seines Sohnes übergeben hätte.
Vor einigen Jahren hatte den
alten Brosst plötzlich ein Schlaganfall ereilt, und der neunundzwanzigjährige
Lebeleicht Daniel war mit einem Mal mit einer lästigen Firma am Bein
dagestanden, die ihn mit ihren Führungsaufgaben nervte. Das konnte nicht gut
gehen. Sehr schnell organisierte er einen Geschäftsführer und gab sich dann
umgehend seinem neu entdeckten Lebensinhalt hin.
Daniel Brosst war ein
Gesegneter. Zumindest behauptete er das von sich selbst und erzählte es jedem,
der es hören wollte oder auch nicht. Angeblich sei ihm in einer Vision die
Mutter
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