Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
Erwachsenen warnten die Kinder ständig davor, nicht in den Höhlen zu spielen. An den Lagerfeuern der Gegend kursierten gruselige Geschichten von Kindern, die in den Berg gegangen und nie wieder zurückgekehrt waren. Wie die beiden Teenager, die als Mutprobe in die Echo Cavern eingebrochen waren. Sie waren über das verriegelte schmiedeeiserne Tor geklettert, das den Eingang versperrte. Adam war damals erst acht Jahre alt gewesen, konnte sich aber noch immer an die Trauer auf den Gesichtern der Erwachsenen erinnern, als sie dabei zusahen, wie man einen der Jungen auf einer Trage aus der Höhle transportierte. Sein Bein war grotesk verdreht und er weinte bitterlich um seinen Freund, der in eine Felsspalte gestürzt war. Die Leiche des zweiten Jungen wurde nie gefunden.
Adam war ein vorsichtiges Kind. Die Schulhofschläger nannten ihn Angsthase, weil er etwas erst aus allen Winkeln betrachtete, bevor er handelte. Sein Vater nannte ihn einfach nur lahm. Aber an jenem Tag im Juli, als er noch durch den Wald preschte, obwohl seine Verfolger die Jagd längst aufgegeben hatten, tat er etwas Mutiges und Gewagtes, wie Dad es immer tat. Er betrat eine Höhle. Keine beliebige Höhle wie jede andere. Seine Höhle war gut versteckt. Geheim. Ein hoher, rechteckiger Fels versperrte den Blick auf sie. Wenn man den Kopf einzog und die Ellenbogen eng am Körper ließ, würde man nie auf die Idee kommen, dass man nur zwei Schritte später in einem weiten, offenen Raum stehen würde – kühl, abgeschirmt und sicher. Und das war nur die Vorkammer. Adam nannte sie die Diele. Ihm gefiel die Vorstellung, dass seine Höhle ein richtiges Haus war. Das Hauptschlafzimmer – sein Zimmer – ging direkt von der Diele ab. Dessen glatter Boden stieg gerade so weit an, dass es hier drinnen nie feucht wurde, selbst wenn es draußen stürmte. Es gab darin auch einen Felsbrocken, dessen Größe sich ideal als Tisch oder Bett eignete, und in den Felsvorsprüngen in der Höhlenwand konnte Adam bequem seine Habseligkeiten verstauen.
Die Höhle war weder so groß noch so tief wie die Echo Cavern, aber für Adam war sie wie gemacht. Hinter der Diele floss ein kleiner Bach. Je nach Jahreszeit war er ein schmales Rinnsal oder so breit, dass man über das kalte, frische Wasser springen musste. Wenn man über Felsbrocken und an hervorspringenden Kanten herumkletterte, konnte man dem Bach weiter in den Berg hinein folgen, bis man in eine breitere Höhle gelangte, deren riesige, glänzende Tropfsteine und leuchtende Zinksulfid-Ablagerungen dem Ort etwas Magisches verliehen.
Dort war der Bach breiter. Und weil er schneller und lauter strömte, war er auch ein kleines bisschen gefährlich – ausreichend zumindest, um eine Expedition in ein Abenteuer zu verwandeln. Wenn man den Bach überquerte und sich auf der anderen Seite durch ein Loch in der Felswand quetschte, stieß man auf einen zweiten Eingang. Dieser Eingang wurde von einer Mauer aus abgestürzten Felsbrocken geschützt, die zu hoch waren, als dass Adam sie hätte erklimmen können. Das hatte er festgestellt, als er sich die Öffnung nach außen genauer angesehen hatte. Dennoch freute er sich über das zusätzliche Sonnenlicht, das von oben hereinfiel. Im Bereich dieses zweiten Eingangs gab es eine Stelle, die urplötzlich steil nach unten abfiel – eine Falle für Unaufmerksame. Adam verbrachte den Großteil eines Sommers damit, diese Grube zu erforschen. Es sollte sein letzter Sommer in New Hope sein, aber das wusste er damals noch nicht. Von der Grube war er wie besessen. Er malte sich aus, dass er einen Schlund vor sich hatte, durch den er bis zum Mittelpunkt der Erde rutschen könnte, so wie er es in den Büchern von Jules Verne, Edgar Rice Burroughs, Arthur Conan Doyle und H. G. Wells gelesen hatte. Zu seiner Enttäuschung fand er heraus, dass die Senke nur knappe dreißig Meter maß. Er hatte sich bloß an einem starken Seil herunterhangeln brauchen. Später ersetzte er das Seil durch eine Leiter, die er sich aus Stolfultzens Scheune »geborgt« hatte.
Unten in der Grube warteten neue Abenteuer auf ihn. Er fand eine ganze Menge Pfeilspitzen, einen Kohlehaufen, die Umrisse einer Männerhand in getrocknetem Blut – jedenfalls sah es so aus – und einen Knochen, der Adam ziemlich eindeutig an den Schienbeinknochen des menschlichen Skeletts erinnerte, das im Naturkundesaal in der Schule stand. Wenn er auf dem kalten, harten Boden der Grube lag, füllte sich sein Kopf mit den wunderbarsten
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