Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
dass ich hier bin. Sie erinnern sich daran, was letztes Mal passiert ist.«
Harding hatte sich über die lokalen Behörden hinweggesetzt und seine Kontakte in Washington spielen lassen, um Lucys Chef zu beeinflussen. Der befahl ihr, umgehend nach Quantico in die FBI-Akademie zurückzukehren. Und das, obwohl sie ihre Urlaubstage benutzt hatte, um ihrer Theorie über den New-Hope-Fall auf eigene Faust nachgehen zu können. Harding wirbelte einen solchen Staub auf, dass der damalige Sheriff Bob befahl, Lucy an die Grenze des Landkreises zu eskortieren. Auf dem Weg dorthin allerdings begegneten sie Adam Caine.
»Ja, ich erinnere mich «, seufzte Zeller. »Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass hier das Leben von zwei Kindern auf dem Spiel steht und wir jede Hilfe brauchen, die wir kriegen können. Außerdem wird Karen am Boden zerstört sein, und sie ist ohnehin schon eine sehr zerbrechliche Person. Wenn mich nicht alles täuscht, waren Sie die Einzige, die sie beim letzten Mal beruhigen konnte. Nicht einmal Kurt war dazu in der Lage. Wir sagen ihm einfach, dass das Verschwinden seines Sohnes solche Wichtigkeit hat, dass wir sofort die hohen Tiere einberufen haben.«
»Gute Idee. Damit er denkt, dass es nur um ihn geht, weil er so bedeutend ist. Es wird ihm vermutlich eine Freude sein, mich wieder herumkommandieren zu können.«
»Das will ich gerne sehen.« Zeller blieb am Fenster stehen. Draußen fiel der Schnee stärker als zuvor. Sie wusste, dass ihm derselbe Gedanke durch den Kopf ging wie ihr: Wie gut standen die Chancen, dass zwei Sechsjährige eine Nacht draußen in dieser Kälte überlebten?
»Ich lasse Sie von einem Hilfssheriff zur Schule begleiten. Fangen Sie an. Ich ebne in der Zeit bei den Hardings den Weg. Kommen Sie dorthin, wenn Sie fertig sind.«
»Danke, Sheriff.«
»Ich sollte Ihnen danken. Wenn das hier schief läuft, hat Harding Ihre FBI-Marke in der Hand.«
Als Lucy und der Hilfssheriff an der Grundschule von New Hope eintrafen, war das eingeschossige Gebäude hell beleuchtet. Drinnen liefen der Hausmeister und der Schulleiter geschäftig umher. Die plötzliche Wendung der Ereignisse nahm sie sichtlich mit.
»So etwas ist noch nie vorgekommen«, wiederholte der Schulleiter – er hieß Culpepper und mochte um die vierzig sein – beständig. Lucy schickte den Hausmeister und den Hilfssheriff los, damit sie die Anwesenheitslisten überprüften und die Videoaufzeichnungen einsammelten.
»Normalerweise kümmert sich meine Sekretärin um solche Dinge«, brummte Culpepper, während er sich durch den Papierkram wühlte. »Ich brauche eine Minute.«
Lucy unterdrückte das Bedürfnis, eigenhändig durch die Aufzeichnungen zu gehen.
»Rufen Sie Ihre Sekretärin an und bitten Sie sie um Hilfe. Das Leben von zwei kleinen Jungen steht auf dem Spiel.«
Er brummte etwas von Budget und Überstunden, griff aber nach dem Hörer, und Lucy suchte nach Jenna und Olivia Harding. Während ihres letzten Aufenthaltes in New Hope hatte sie Olivia nur kurz getroffen. Selbst damals hatte sie die zarte Schönheit des Mädchens beeindruckt. Sie hatte die blasse Haut, das dunkle Haar und die großen blauen Augen ihrer Mutter. Jetzt war sie sechzehn und versteckte ihr gutes Aussehen unter einer schwarzen Lederjacke, Flanell, einem unförmigen Kapuzenpulli und viel schwarzem Lidschatten und Mascara. Mit dem einzigen Resultat, dass sie dadurch noch mehr auffiel. Lucy erlebte plötzlich so etwas wie ein Déjà-vu. Ashley, das Mädchen, dem sie im September das Leben gerettet hatte, hatte ebenfalls versucht, sich auf diese offensichtliche Weise zu verstecken. Und war damit gescheitert. Hatte stattdessen die Aufmerksamkeit eines Triebtäters auf sich gezogen. Vor wem versteckte sich Olivia so verzweifelt?
»Erinnerst du dich an mich?«, fragte Lucy. Jenna saß auf dem Lehrerpult, die Füße hatte sie auf dem Stuhl abgestellt. Olivia lief unruhig im Zimmer umher.
»Haben Sie ihn gefunden? Geht es Darrin gut?«
Lucy schüttelte den Kopf. »Wir suchen. Durchforsten die Schule. Die Aufzeichnungen der Überwachungskameras …« Sie nickte Jenna zu, die den kleinen Hinweis verstand und sich an die Arbeit machte.
»Aber«, Lucy rollte den Lehrerstuhl heran, damit Olivia sich hinsetzen konnte, »ich würde wirklich gerne hören, was passiert ist. Du kannst mir alles erzählen.«
Olivia ließ sich in den Stuhl plumpsen und seufzte laut, auf eine Art, die Lucy an Megan denken ließ. Sie hoffte, dass sie noch wach sein
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