Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
jetzt schon ab und bringe dich nach Hause.«
»Mom«, sagte Megan mit dem perfekt antrainierten Nörgelton eines Teenagers, der Lucy an den Strafverteidiger erinnerte, der vor einer Stunde ihre Zeugenaussage auseinandernehmen wollte. »Ich bin eines der wenigen Mädchen, die zu dem Auswahltraining eingeladen wurden. Ich kann nicht früher gehen.«
Es war weder die Zeit noch der Ort für Erklärungen, und das Allerletzte, was Lucy wollte, war eine öffentliche Auseinandersetzung mit Megan. Sie öffnete die Beifahrertür des Subarus und hoffte, Megan würde den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen. »Mir gefällt das nicht. Wie du hier in der Kälte herumrennst. Du wirst dich erkälten.«
Megan war gnädig. Sie verschonte Lucy und verzichtete auf ein dramatisches Augenverdrehen. Stattdessen seufzte sie, als sei sie die leidgeprüfte Mutter, tätschelte Lucys Arm und sagte: »Ich komme schon klar.«
Sie dribbelte einen unsichtbaren Ball, scheinbar unbeeindruckt von Regen und Wind. »Du kannst mir ja vom Auto aus zusehen. Oder nach Hause fahren. Danny kann mich mitnehmen.«
Als würde Lucy jemals ihre dreizehnjährige Tochter allein einem ungefähr zwanzigjährigen Fußballcoach anvertrauen. Vor allem dann nicht, wenn er seine Schutzbefohlenen dazu ermutigte, ihn »Danny« zu nennen.
Lucys Mobiltelefon klingelte und lenkte sie ab. Genau in dem Moment ertönte wieder die Trillerpfeife.
»Ich muss los.« Megan raste zurück in die Menschenmenge aus Eltern und Spielern, bevor Lucy sie festhalten konnte. Sie behielt sie im Auge, während sie den Anruf annahm. Es war Walden. Hoffentlich hatte er gute Nachrichten.
»Guardino«, meldete sich Lucy. »Was hast du rausgefunden?«
»Keine Spuren auf dem Brief, wie zu erwarten.« War ja klar. Mit der US-Post verschickte Drohbriefe waren die reine Beschäftigungstherapie für die Fingerabdruck-Spezialisten. Massenhaft Fingerabdrücke und Teilabdrücke, aber nichts Aussagekräftiges dabei.
»Taylor ist bei dir zu Hause, alles sicher.«
»Nick?«
»Geht es gut. Er ist noch auf der Arbeit. Galloway ist bei ihm und wird ihn nach Hause begleiten. Er ist nicht gerade begeistert von der ganzen Nummer. Vor allem gefällt ihm nicht, dass wir seine Post überwachen.«
»Ich regele das.« Sie wusste, dass es Nick weder um das Überwachen noch die Sicherheitsmaßnahmen ging. Ihn störte, dass Lucys Arbeit die Familie in Gefahr brachte. Schon wieder. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie laut geseufzt hatte, bis sie das Echo durch ihr Mobiltelefon hörte.
»Ich glaube, ich konnte ihn einigermaßen beruhigen«, fügte Walden noch hinzu.
Walden war ein Riese und konnte verflucht einschüchternd sein, wenn er wollte, aber wann immer sie guter Bulle/böser Bulle spielen mussten, gab Walden den guten Bullen, den vernünftigen. Der Anblick eines knapp 1,90 Meter großen und hundert Kilo schweren schwarzen Typs, dem es nicht gelang, eine zierliche weiße Frau, die fünfzehn Jahre jünger als er war, unter Kontrolle zu halten, zog die Aufmerksamkeit jeder Zielperson auf sich, und zwar schnell. »Wir haben uns gegenseitig das Herz ausgeschüttet.«
Lucy schüttelte den Kopf. Nick und Walden, die sich über sie austauschten. Da wollte sie auf keinen Fall die Einzelheiten wissen.
»Danke, Walden.«
»Wir haben endlich auch deine Mutter ausfindig gemacht. Sie ist mit ihrem Kavalier unterwegs und sagt, du sollst dir wegen ihr keine Sorgen machen.«
Das hätte eigentlich einen erneuten Seufzer verdient, aber Lucy hielt sich zurück. Sie zog eine Kopie des anonymen Briefs aus ihrer Tasche und durchforstete ihn noch einmal nach Anhaltspunkten.
»Was soll das in dem Brief eigentlich heißen, wir haben den falschen Mann verantwortlich gemacht? Ich habe gesehen, wie der Mörder starb.«
»Keine der Leichen wurde gefunden, auch seine nicht. Außerdem haben wir diesen Täter nie identifiziert. Das macht es einfach für Verrückte und Trittbrettfahrer.«
Walden. Logisch denkend wie immer.
»Er erwähnt Megans Namen. Und er weiß, wie alt sie ist.«
»Dein Name ging kürzlich durch alle Zeitungen, und das ziemlich oft.«
»Ja, mein Name.« Lucy benutzte ihren Mädchennamen, aber Megan hieß Megan Callahan, wie Nick. »Nicht Megans. Und nicht ihr Alter.«
»Taylor behauptet, dass jedes Kind mit einem Smartphone Megans Namen und ihr Alter nach fünf Minuten im Internet finden kann. Er meint, er würde ihre Schuhgröße herausfinden, wenn du ihm zehn Minuten Zeit gibst.«
Taylor war das hauseigene
Weitere Kostenlose Bücher