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Blutflucht - Evolution

Blutflucht - Evolution

Titel: Blutflucht - Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loreen Ravenscroft
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haben.
    »Dann sehen wir uns am Hafen.« Sams Stimme klang bedrückt, was unheimlich schmerzte. Aber ich hatte mich entschieden.
    Er legte auf, bevor ich ihn über meine Eltern ausfragen konnte, über Ron und ihn selbst.
    Schnell packte ich ein paar Sachen in den alten Rucksack und zog mir ein frisches Hemd über. Jack verschwand währenddessen im Wohnzimmer. Als er zurückkam, hielt er mir den uralten Mp3-Player meines Vaters vor die Nase. Er war kaum größer als ein Handy und ich wusste, dass er nicht mehr funktionierte. Dennoch hatte ich ihn aufgehoben, da Dad ihn stets bei sich getragen hatte, sogar am Tag seines Unfalls.
    »Den habe ich in einer der Kisten gefunden«, sagte Jack. »Ich denke, du solltest ihn mitnehmen.« Er steckte das kleine Gerät zu meinen anderen Sachen in den Rucksack. Ich fragte ihn erst gar nicht nach dem Warum. Wozu sollte das alte Ding uns nutzen?
    Im Moment wollte ich auch nicht weiter darüber nachdenken, denn ich war zu sehr mit Packen beschäftigt. Was brauchte man denn alles, wenn man auf der Flucht war? Geld. Und zwar bares! Zum Glück war die Ära der Scheine und Münzen noch nicht ganz vorüber. Wenn MH auch nach mir suchen würde, konnte ich schlecht mit Daumenscan bezahlen. Innerhalb von Sekunden hätten sie uns ausfindig gemacht. Also lief ich in die Küche, wo ich aus einer Keksdose die gesamten Ersparnisse mehrerer Monate auf den Tisch schüttete, die ich mir eigentlich für meinen Urlaub zurückgelegt hatte, und stopfte das Geld in meine Hosentaschen. Das würde vielleicht ein paar Wochen reichen.
    Im Keller mussten wir nicht lange auf Ron warten. Ich erkannte ihn gleich, als er uns in dem kahlen Flur entgegen kam. Er war größer als mein Onkel und ein paar Jahre jünger. Zudem hatte Ron noch eine Menge Haare auf dem Kopf, auch wenn sie bereits ergraut waren. Er machte für seine mindestens fünfzig Jahre einen sehr fitten Eindruck. Das war Jack schon aufgefallen. Aber erst, seit er es erwähnt hatte, wurde mir das ebenfalls bewusst. Ich kannte Ron schon lange. Irgendwie hatte er sich in all der Zeit kaum verändert.
    »Hi, Kate«, sagte er und umarmte mich kurz. Er kam auf die Minute genau, wobei er etwas in der Hand hielt, das aussah wie eine überdimensionale Spritze.
    »Was ist das?«, wollte ich wissen.
    Er klang gehetzt. »Gib mir deine Hand.«
    Ich reichte sie ihm mit einem mulmigen Gefühl.
    »Die andere«, sagte er.
    Die andere war die mit dem Chip. Ich schluckte, als ich sie ihm hinhielt, denn plötzlich wusste ich genau, wozu das Gerät diente.
    Ron setzte das silberne Röhrchen, das aussah wie eine dicke Kanüle, auf meinen Handrücken und entfernte damit meinen ID-Chip – unblutig, aber durchaus schmerzhaft. Dann warf er den Sender einfach vor sich auf den Boden. So würde MH zumindest eine Zeitlang glauben, dass ich mich in diesem Gebäude befand.
    Als wir in die Unterwelt von Greytown abtauchten, hatte ich das Gefühl, dass ich diese Stadt für eine lange Zeit nicht mehr wiedersehen würde.
    Hand in Hand liefen Jack und ich im Dunkeln hinter Ron her, durch die unterirdischen, feuchten Gänge. Der Gestank von Abwasser und Moder beleidigte meine Nase. Ron hatte sich eine Stirnlampe umgeschnallt und folgte konzentriert den Anweisungen seines Navigationsgerätes. Mit seinen fünfzig Jahren rannte er wie ein junger Spund. Es gab nur eine Erklärung, warum Ron für sein Alter dermaßen fit war: Er musste ein Mutant sein! Bevor ich mir weiter darüber den Kopf zerbrechen konnte, blieb Ron abrupt stehen, sodass wir fast in ihn hineingelaufen wären. Unter lautem Gequietsche schob er den halb verrosteten Eisenriegel einer massiven Tür zur Seite. Schon schlich sich ein fischiger Geruch in meine Nase.
    Als wir zwei feuchte Treppen nach oben stiegen und die düsteren Katakomben hinter uns ließen, war mir sofort klar, wo wir waren: in einer Lagerhalle am Hafen. Dort wartete Sam auf uns, die große Sporttasche mit Jacks neuen Anziehsachen aus der Pension in der Hand.
    »Ihr müsst schnell machen«, sagte er. »MUTAHELP wird sicher bald die ganze Stadt nach euch durchkämmen.«
    Ron zückte wieder seine »Spritze« und jagte Jack und mir jeweils ein neues Implantat unter die Haut, das Sam ihm zuvor in einer sterilen Folie überreicht hatte. »Diese ID-Chips enthalten eure neuen Identitäten. Von nun an seid ihr offiziell Torri Anderson und Jack Sheridan. Außerdem können
ihre
Satelliten sie nicht aufspüren.«
    Mir blieb der Mund offenstehen. Woher hatte Sam diese

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