Blutflucht - Evolution
Chips?
Sam überreichte mir ein nagelneues Multi-Phone, kurz MP, das alle Funktionen eines Handys, Navigationsgerätes und Digi-Books miteinander vereinte. Es enthielt eine genaue Beschreibung unserer neuen Identitäten, die wir uns gut einprägen sollten, bevor wir die Daten aus dem Multi-Phone löschten. Mein altes gab ich Sam, da ich es von nun an nicht mehr brauchte.
»Mit diesem Gerät könnt ihr immer mit uns in Kontakt treten, ohne befürchten zu müssen, von MUTAHELP oder der Regierung abgehört oder geortet zu werden. Es läuft über unsere Satelliten«, erklärte mir Ron.
»Eure
Satelliten?« Ich verstand nicht.
»Ron und ich sind Mitglieder einer Organisation, die sich MALVE – Mutanten aller Länder, vereinigt – nennt. Das ist eine Untergrundbewegung, der Mutanten auf der ganzen Welt angehören.«
Ron und Sam waren was?!
Es brauchte eine Weile, bis ich die Information verarbeitete. Das erklärte auch die neuen ID-Chips.
»Wir haben Mitglieder vom ärmsten Bauern bis zum ranghohen Politiker, die verdeckt für MALVE arbeiten, um die Stellung der Mutanten in der Gesellschaft zu festigen«, sagte Sam. »Und um uns gegen unseren größten Feind, der AMF, der Anti-Mutanten-Front, zu wehren, zu der auch viele unserer Politiker gehören. Die AMF ist ebenfalls eine geheime Organisation, die es fast schon so lange gibt wie MALVE. Die AMF setzt alles daran, euch die Menschenrechte zu nehmen, da sie die Meinung vertritt, Mutanten seien keine richtigen Menschen. Und da die meisten Leute auf dieser Welt das Unbekannte fürchten, hat ihre Gemeinschaft eine sehr große Anhängerzahl. MUTAHELP und Lago-Pharm, zum Beispiel, stehen auf ihrer Seite. Und die vielen Verhaftungen von angeblich gefährlichen Mutanten, die es momentan gibt, sprechen für sich. Sie hetzen das Volk gegen uns auf, und MALVE versucht alles, um sie daran zu hindern.«
»Also waren meine Eltern keine guten Menschen«, sagte ich bedrückt. Es versetzte mir einen Stich ins Herz, dass ich mich all die Jahre so in ihnen getäuscht hatte.
»Im Gegenteil, Schätzchen.« Sams Augen strahlten. »Sie kämpften für unsere Seite wie kaum ein anderes Mitglied auf dieser Welt. Sie wurden MALVE-Spione und deine Eltern hätten es auch fast geschafft, die korrupten und illegalen Machenschaften von Lago-Pharm und der Regierung an die Öffentlichkeit zu bringen, aber …« Er zögerte kurz. »Ich erzähle dir das ein anderes Mal. Jetzt ist nicht die Zeit dazu. Ihr müsst so schnell wie möglich aus dieser Stadt verschwinden. Alles, was ihr braucht, findet ihr hier drin.« Sam übergab Jack die große Tasche.
»Nur eins noch, Sam. Bist du auch ein Mutant?« Diese Frage brannte mir schon die ganze Zeit auf der Seele. Ich war verwirrt und hatte noch so viele andere Fragen an ihn.
»Nein, Kate, oder besser gesagt: Torri. Aber du wirst alles früh genug erfahren.«
Torri … Ein schöner Name, aber passte er zu mir?
Jetzt meldete sich Ron wieder zu Wort: »Nun müsst ihr aber wirklich los. Kommt mit!«
Wir folgten ihm alle durch eine Tür an der gegenüberliegenden Seite der Halle in ein düsteres Bootshaus, das mich mehr an eine Wellblechhütte erinnerte. In dem kleinen Anbau lag ein Hover-Boot im Wasser, das ein Fischer startete, als wir eintraten. Es machte beachtlich viel Wind und einen ohrenbetäubenden Lärm, während es sich aus dem Wasser hob.
»Mitch wird euch auf eine der schwimmenden Netz-Farmen bringen, die heute nach Otumi fährt. In etwa zweiundzwanzig Stunden werdet ihr dort ankommen und an Land gebracht werden. Dort wird sich Hill um euch kümmern. Alles Weitere erfahrt ihr von uns oder einem anderen MALVE-Mitglied über euer Telefon«, erklärte uns Ron, wobei er gegen den Lärm des Bootes anschrie.
Mitch war ein alter Seebär mit einem dichten weißen Bart. Er trug eine dunkelblaue Wachsjacke, unter der sein stattlicher Bauch zu wenig Platz hatte.
»Aber wie erkennen wir, ob vor uns ein MALVE-Mitglied steht?«, rief ich zurück.
Ron grinste. »Ihr werdet es merken!«
»Und wenn wir in eine Falle laufen?« Mein Herz überschlug sich vor Aufregung.
Schlagartig wurde Ron ernst. »Dafür gibt es nie eine Garantie, aber wir geben unser Bestes, um euch zu schützen.«
Jack schüttelte Ron und Sam die Hände und dankte ihnen für alles. Danach umarmte ich meinen Onkel und wischte mir hinter seinem Rücken heimlich eine Träne aus dem Augenwinkel.
Du wirst mir sehr fehlen, Onkelchen
, schickte ich ihm meine Gedanken, als ich seine
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