Blutflucht - Evolution
musste sie loswerden; sie zogen Aufmerksamkeit auf ihn. Also bog er in eine noch dunklere Gasse ein.
Zuerst würde er sich etwas zu essen suchen, dann einen Schlafplatz und sich anschließend überlegen, wie es weitergehen sollte. Sollte MALVE ihn aufspüren, würde er kämpfen bis zum Tod, bevor er sich jemals wieder einsperren ließ. Jetzt wo er wusste, wie sich der Duft der Freiheit anfühlte, wollte er ihn nie wieder missen.
Gerade, als er diesen Gedanken hatte, griffen die Jugendlichen ihn an.
Hillary McKenzie saß hinter dem Steuer ihres Namaras und studierte das elektronische Schriftstück, das den Flüchtigen zeigte: Adam Young, fast zwei Meter groß und ein Jahr älter als sie. Er war eine lebende Kampfmaschine und wurde als potentiell gefährlich eingestuft, was Hill nicht abhielt, diesen Ex-Krieger aufzuspüren. In den letzten Jahren hatte sie hart an sich gearbeitet, ihren Körper geschunden und sich fast bis zur Selbstaufgabe gegeißelt, um MALVE mit Leib und Seele zu dienen.
Sie war nicht mehr die moppelige Göre, die es liebte, sich ordinär auszudrücken und wild darauf war, mit jedem Mann ins Bett zu springen, sondern sie arbeitete jetzt als seriöse MALVE-Beauftragte. Mit ihren achtzehn Jahren hatte sie es weit gebracht, was sie niemals für möglich gehalten hätte. Vom flüchtigen Waisenkind zur Agentin. Der Job erfüllte sie, lenkte sie ab.
Seit Georges Tod hatte sie keinen Mann mehr gehabt, nicht einmal zum Spaß. Dieses Kapitel hatte sie abgeschlossen. Na ja, fast. Die Augen hielt sie weiterhin offen, aber es war einfach keiner mehr dabei gewesen, der sie interessiert hätte. Alle Kerle hatten sie immer nur ausgenutzt, sie manipuliert und schließlich abgeschossen. Nie wieder würde sie sich benutzen lassen. Sie brauchte keinen Mann, um Spaß zu haben, das schaffte sie prima allein.
Hill steuerte den Wagen durch die düsteren Gassen von Downtown Metropolis. Dort hatte sie Adams Spur verloren, weil sich einfach zu viele Menschen hier aufhielten. MALVE hatte Adams Verschwinden recht bald bemerkt und Hill auf ihn angesetzt, weil sie über ein Hypergehör verfügte. Man hatte ihr Aufzeichnungen von Adams Herzrhythmus vorgespielt. Er hatte eine Stenose – eine Verengung – an der Pulmonalklappe und Hill hörte deutlich ein leises Rauschen heraus, weil sich in einer Herzkammer zu viel Druck aufbaute. Es war nur ein winziger, organischer Makel, den Adam nicht bemerkte und der sein Leben nicht beeinflusste, aber Hill hatte nun eine Möglichkeit, ihn aufzuspüren.
Als Kind hatte es sie oft verrückt gemacht, einfach
alles
zu hören. Jetzt hatte sie gelernt, bestimmte Geräusche auszublenden und andere herauszufiltern. Sie hatte auf ihrer Verfolgungsjagd den Namara immer wieder am Straßenrand geparkt und gelauscht. Da die MALVE-Einrichtung in einem großen Waldstück lag, war es leicht für Hill gewesen, Adams Keuchen zu folgen, dem Knacksen, das gebrochene Ästchen unter seinen Schuhen verursachten, und seinem leisen Fluchen, als er die Zweige verdammt hatte, die in sein Gesicht peitschten.
Hill schmunzelte. Sie dachte daran, wie oft sie früher geflucht hatte, nur hatte es sich bei ihr viel übler angehört. Wie sich doch alles geändert hatte.
Sie traf sich oft mit Kate und Jack, die ihre einzig echten Freunde waren. Ab und zu passte sie auch auf Lee auf. Er war für einen fast vierjährigen Jungen sehr weit entwickelt und besuchte schon die Schule. Er war unglaublich schlau, frech und doch bezaubernd. Eben so, wie ein Kind zu sein hatte.
Hill seufzte. Sie wollte auch irgendwann Kinder. Zum Glück brauchte es heutzutage keinen Mann mehr dafür.
Während Kate in der Forschung arbeitete, bildete Jack den Nachwuchs im Fahrtraining aus. Auch Hill hatte bei ihm gelernt. Sie alle hatten ihren festen Platz bei MALVE.
Hill parkte den Namara neben einem defekten Rohr und ließ die Scheibe ein Stück hinunter. Im Auto war sie sicher. Sie wollte nicht unbedingt zu Fuß nach Adam suchen. Zwar war sie bewaffnet, aber sie würde Verstärkung holen müssen, wenn sie ihn fand. Er war nach wie vor gefährlich.
Das Wiedereingliederungs-Programm hatte nicht bei allen Kriegern funktioniert. Adam war einer der hoffnungsvollsten Kandidaten zur Resozialisierung gewesen, doch gerade er war geflohen. So kurz vor vor Abschluss seiner Therapie. Das stand zumindest in seinen Unterlagen. Hill hatte zu den Klonkriegern nie Kontakt gehabt, kannte Adam erst seit wenigen Stunden.
Angestrengt spitzte sie die Ohren und
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