Blutflucht - Evolution
ihm sogar. Besonders gern mochte er die Taschen in der Hose, die fand er überaus praktisch. Auch dass sein Haar nicht mehr kurz geschoren, sondern weich war, gefiel ihm. Adam hatte sich auf diese Art von seinen »Brüdern« abgrenzen können, die es immer noch bevorzugten, ihr Haar kurz zu tragen. Die meisten von ihnen würden wohl nie den Hochsicherheitstrakt verlassen. Sie waren nach wie vor gefährlich.
Auch Adam spürte noch das Tier in sich. Es drängte oft an die Oberfläche, aber er ließ es nicht raus. Er bezwang es mit eisernem Willen. Die wilde Bestie, die nur auf Töten programmiert war, würde ihm nur selbst den Tod bringen.
Als Adam durch die Straßen irrte, kam er sich fremd vor. Er war keiner von den Menschen, die ihm entgegenkamen. Sie starrten ihn an. Er fiel auf.
Das war nicht gut.
Adam hatte sich »nach unten« begeben, in die schäbigen Ecken von Metropolis, weil ihn hier kein Satellit und keine Kamera erfassen konnte. Die Straßen waren eng und verwinkelt. Die Armen und Ausgestoßenen hausten in der Kanalisation oder in den düsteren Gassen der alten Stadt. Die neue hatte man kurzerhand darüber errichtet. Die modernen Straßen standen auf Säulen. Da oben war es sauberer und sicherer, aber nicht für ihn.
Dampf, der aus kaputten Rohren strömte, hüllte ihn ein. Der Gestank, der von manch einer zerlumpten Gestalt und den Müllbergen ausging, war ekelerregend. Viele Herumtreiber hielten Schlagstöcke oder Messer in den Händen und eine kleine Gruppe verfolgte ihn schon eine Weile.
Adam war verschwitzt, seine Kleidung schmutzig – dennoch sah er gesund aus. Anders, nicht passend für hier unten. Er wusste, dass sein Bild auf sämtlichen Fahndungsplakaten strahlte. Es war ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Nicht von MALVE, sondern von einer verdeckt arbeiteten Gruppe ehemaliger MUTAHELP-Angestellter – der Firma, die ihn einst geschaffen hatte. Sie wollten ihre Krieger zurück und Informationen über die »Konkurrenz«, um ihre Macht wieder zu stärken.
Aber Adam wollte nicht mehr zu ihnen gehören. Bei ihnen war alles viel schlimmer gewesen.
Die Aussätzigen leckten sich die Finger nach ihm. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie ihn angriffen, das spürte er mit jeder Faser seines Seins. Nur seine große, muskulöse Gestalt hielt sie vielleicht zurück und weil sie wussten, dass er gefährlich war. Außerdem jagte er seinen Verfolgern Furcht ein, indem er durch die Düsternis schritt, als wäre er der Herrscher der Unterwelt. Aufrecht, geschmeidig.
Adam verspürte keine Angst; sein Herz schlug keinen Takt schneller. Wenn er wollte, könnte er sie alle wie Maden zerquetschen.
Er war die ganze Nacht gelaufen, sein Bewusstsein war nur auf Flucht eingestellt. Heute Morgen hatte er diese Stadt erreicht. Spätestens beim Frühstück würde MALVE bemerkt haben, dass er fehlte. Er hatte also nicht viel Vorsprung.
Bei MALVE war es ihm viel besser gegangen als im Lago-Pharm Institut. Aber er konnte nicht das Leben führen, das er sich wünschte. Er wollte doch nur irgendwo dazugehören, normal sein.
Von seinem ursprünglichen Soldatendasein fehlte ihm bloß das tägliche Training, die körperliche Disziplin, exerzieren bis zur Erschöpfung. Adam wusste nicht, wohin mit seiner Kraft und auch sonst nichts mit sich anzufangen. Er brauchte eine Aufgabe, irgendwas, woran er sich festhalten konnte. Da MALVE ihm das verwehrte – von den lächerlichen Mal- und Basteltherapien abgesehen –, hatte er sich eine Aufgabe gesucht. Wochenlang hatte er seinen Ausbruch geplant und nun war er hier, in einer Stadt, die er nicht kannte. Auf sich allein gestellt. Doch das machte ihm nichts aus. Er spulte einfach sein Überlebensprogramm ab.
Adams Magen knurrte. Er hatte Hunger, ignorierte es jedoch. Wenn er wollte, kam er tagelang ohne Essen aus. Das lag an seinen besonderen Genen.
Gedankenverloren strich er sich über den Handrücken. Dort hatte er sich gestern, kurz vor seiner Flucht, den Chip herausgeschnitten. Er enthielt nicht nur wichtige Daten über ihn selbst, sondern auch einen Sender, mit dem MALVE ihn überall auf der Welt aufspüren konnte. Aber jetzt war Adam frei. Die Wunde auf seinem Handrücken hatte sich bereits geschlossen, aber die Kruste war auffällig. Deshalb hatte er die Hände tief in die Taschen seiner Cargohose gesteckt. Er wusste, sein Körper funktionierte anders. Er war anders.
Er war ein Außenseiter. Eigentlich war er wie einer von denen, die ihn verfolgten. Adam
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