Blutfrost: Thriller (German Edition)
wenn ich es zu Hause mit der Angst zu tun bekam und sich der Bauch zusammenschnürte.
»Der … der … wie wenn sich der verknotet«, begann ich, und meine Mutter fuhr fort: »Wie wenn dir jemand mit der Faust in den Bauch schlägt, hast du doch gesagt.« Ich nickte. »Und du hast auch von heftigen Stichen gesprochen, stimmt’s?« Ich nickte erneut. Sie wandte sich unruhig dem Arzt zu. »Muss sie nicht in die Klinik? Wäre das nicht das Beste?«
Dr. Erics musterte mich genau und schüttelte langsam den Kopf. »Nein«, sagte er. »Dafür sehe ich wirklich keinen Grund. Wenn sie Fieber hätte, vielleicht, aber so …«
Als wir schließlich das Haus des Arztes verließen, war jede Bewegung meiner Mutter hektisch und schnell. Sie rannte förmlich, sie zuckte mit dem Kopf hin und her, ruderte mit den Armen und fummelte ärgerlich mit dem Schlüssel herum.
»Also, auf diesen Dr. Erics kann man sich auch nicht mehr verlassen. Ich finde, er nimmt die Sache nicht ernst genug. Es ist wohl an der Zeit, einen anderen Arzt zu finden, Schatz.«
– E
Für wen hielt die mich eigentlich? Ich war doch kein Verlag! Das artete jetzt wirklich aus. Sie hatte mir auf keine meiner Fragen geantwortet, sondern stattdessen das hier geschickt.Vielleicht war die Sache mit Rexville bloß ein Zufall, so wie neulich, als eine der Sekretärinnen bemerkt hatte, dass ihr afrikanisches »Patenkind« aus einem Dorf in Kenia kam, in dem sie tatsächlich schon gewesen war. Ich suchte nach der ersten E-Mail von »E« und las sie ganz genau durch:
Dr. Krause,
der, der Ihnen am nächsten steht, ist ein Monster, das seine Kinder umbringt. Please, helfen Sie mir, damit das nicht wieder geschieht.
– E
Anschließend las ich die zweite, unanständig lange Nachricht zum zweiten Mal. Die Absenderin musste ganz einfach Eva sein. Wenn Daniel in den USA gewohnt und Eva dort getroffen hatte, war es durchaus möglich, dass sie in Rexville geboren oder aufgewachsen war. Dann musste das Evas Kindheitsgeschichte sein, aber was hatte ich damit zu tun? Sie hatte um meine Hilfe gebeten, ich hatte geantwortet, sie war nicht auf meine Bitte eingegangen, ergo konnte ich ihr nicht helfen. Wollte sie überhaupt Hilfe? Ich seufzte. Letztlich schickte ich ihr trotzdem eine Antwort:
Liebe E, danke für Ihre lange E-Mail, deren Ziel ich, wie ich leider eingestehen muss, leider nicht ganz verstanden habe. Sie haben in Ihrer ersten Nachricht um meine Hilfe gebeten, aber mir fehlen Informationen. Wie kann ich Ihnen helfen?
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Krause
Meine Finger zitterten und zuckten in Richtung Telefon, um Daniel anzurufen und ihn direkt auf seine Frau anzusprechen. Ihn zu fragen, ob sie im Staat New York aufgewachsen war. Natürlich durfte ich das nicht. Ich durfte keinen Kontakt mit ihm aufnehmen. Er war raus aus meinem Leben. So sollte es auch bleiben. Wenn »E« etwas wollte, dann sollte sie es – verdammt noch mal – sagen. Das war nicht mein Problem.
Seufzend klickte ich mich durch die sechsunddreißig verbliebenen E-Mails.
10
Als ich mir den ersten Instantkaffee aus der Institutsmaschine genehmigte, war ich noch immer nicht ganz wach. Was für einen lächerlichen, grotesken Anblick ich wohl abgab, als ich den glühend heißen Kaffee mit Trippelschrittchen aus der Bibliothek bis nach oben in mein Büro balancierte und dabei doch die Hälfte auf der Untertasse landete. Zum Glück hatte mich niemand dabei beobachtet.
Mein schläfriger Blick klebte auf den beiden Flaschen Rohrreiniger, die neben dem gigantischen Polizeibericht auf dem Tisch thronten und die ich noch im Tiefschlaf auf dem Weg zur Arbeit gekauft hatte. Das Telefon klingelte, und ein Journalist, mit dem ich angeblich früher schon einmal gesprochen hatte, wollte mich zum Thema »Gewalt gegen Babys« interviewen. Insbesondere ging es ihm um das Schütteln der Kleinen, das nach neuester Rechtsprechung als schwere Körperverletzung eingestuft werden konnte. Ich bat darum, ihn zurückrufen zu dürfen, und legte auf. Das Telefon klingelte jedoch gleich wieder. Eine Frau aus Svendborg wollte die Todesursache eines Familienmitglieds wissen, das 1948 obduziert worden war. Das Institut für Rechtsmedizin in Odense bestand seit 1971, und alle früheren Obduktionen waren von lokalen Pathologen in den verschiedensten Krankenhäusern durchgeführt worden. Auch sie bat ich, zurückrufen zu dürfen. Danach ließ ich den Hörer auf dem Tisch liegen, verschanzte mich hinter meinem iPod und unternahm
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