Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
Vom Netzwerk:
Feuerwehrleuten.
    »Hier drinnen«, sagte Amy und führte mich durch das dunkleHaus. Schließlich standen wir in einem Schlafzimmer, in dem mindestens vierzig Grad herrschten und der Gestank uns beinahe ohnmächtig werden ließ. Schwärme von schwarzen Fliegen hingen an den Wänden und in der Luft und umkreisten uns summend. Ich zog die Ärmel runter und hielt mir die Hand vor das Gesicht. Auch an den Fenstern hingen die Fliegen wie eine dicke, schwarze, pulsierende Matte und rieben sich ihre Bäuche – wie Menschen, die an Weihnachten zu viel gegessen hatten. Es fiel mir schwer, meine Augen vom Anblick der rasenden Verwesung zu lösen, die auf dem Bett vonstattenging. Millionen von Maden erweckten den Eindruck, dass sich die Leiche, die dort wer weiß wie lange lag, bewegte. Soweit ich das aus der Armhaltung schließen konnte, lag der Tote auf dem Rücken. In der Hand hielt er eine Schusswaffe. Auf seinem Gesicht lag ein Kissen mit einem Einschussloch, und genau dieses Kissen war es, das Amy in ihren Beweisbeutel manövrieren musste. Die Haut des Toten war überall grünbraun, feucht und schleimig, an Armen und Händen lösten sich ganze Fetzen. Das Bettzeug war durchtränkt, von Leichenflüssigkeit verfärbt, und das klebrige Geräusch der Maden, die sich durch das butterweiche Fleisch wanden, ließ mich fast wieder aus dem Haus stürzen. Als Amy mir den Beweisbeutel reichte, sah sie mich herausfordernd an: »Du lässt mich jetzt nicht im Stich! Es dauert nur ein paar Sekunden.«
    »Eins, zwei, drei«, sagte sie und legte ihre behandschuhten Hände auf das Kissen. Es klang nass und klebrig, als sie es vom Gesicht des Toten nahm. Lange Fäden einer zähen gelben Masse verbanden das Kissen mit dem, was einmal ein Gesicht gewesen war, jetzt aber nur noch aus Millionen von Maden bestand. Der Gestank wurde massiv. Als eine fette Schmeißfliege dann auch noch darauf bestand, auf meiner Wange zu landen, hätte ich beinahe die Tüte fallen lassen und mich übergeben,doch Amy kam mir zuvor. Die Tränen schossen aus ihren Augen, als sie die Tüte mühevoll mit vier Fingern festhielt und sich erbrach. Ich schloss die Augen und dachte an die Feuerwehrleute, die draußen standen, und an Steve. Ich würde ihnen zeigen, wer hier die Hosen anhatte. Noch lange, nachdem Amy ihren Mageninhalt auf den Boden gespuckt hatte, stand sie vornübergebeugt da, während die Krämpfe in ihrem Bauch sie immer wieder zum trockenen Würgen zwangen. Irgendwann gelang es uns schließlich, das Kissen in die Tüte zu packen und aus dem Haus zu stürmen.
    Langsam kehrten meine Gedanken wieder in die Gegenwart zurück, und ich wandte mich wieder der E-Mail zu. Was hatte es damit auf sich? Ein Gruß aus der Vergangenheit? Ich las weiter:
    Wir wohnten in Rexville im Staat New York. Eine Stadt voller Pfuscher, Trunkenbolde und Kleptomanen. Menschen, die wie wir von der Sozialhilfe lebten. Die achtundfünfzig Häuser, von denen vielleicht die Hälfte bewohnt war, konkurrierten eigentlich nur darum, welches am meisten geflickt, verfallen oder am undichtesten war. Es gab nicht einmal einen Supermarkt, sondern bloß einen Convenience Store , der an einen länglichen Darm mit neongrün beleuchteten Deckenarmaturen erinnerte. Dort bekam man Riesenpakete vakuumverpackter T-Bone-Steaks, die angeblich mindestens zehn Jahre haltbar blieben und mit denen man angeblich Tote zum Leben erwecken und Lebende totschlagen konnte. Der Laden hieß Witty’s , auch wenn man Geistreiches dort vergebens suchte, sei es bei den Kunden oder bei der alten Frau, die in ihrem blauen Kittel an der Kasse stand und die Zukunft der Leute aus ihrem Kaffeesatz las.
    Und überall gab es Heckenschützen. Die Bevölkerungszahl von Rexville war aus naheliegenden Gründen bereits sehr niedrig, und wenn die Leute im Ort dennoch der Meinung waren, dass sie zu stark anstieg, wurden jene, die man nicht so gern mochte, zu einer Jagd eingeladen, von der sie dann auf einer Bahre zurückkamen, mit einem Loch im Kopf oder im Herzen.
    Unser Haus war uralt und unheimlich, voller Gespenster, Geräusche, dunkler Ecken und geheimer Räume. Möbliert mit knirschenden, löchrigen Federkernmatratzen, riesigen Kommoden aus dunklem Holz und einem Esstisch, der so schwer war, dass niemand ihn bewegen konnte. Die Möbel hatten wir mitsamt dem Haus übernommen. Mutter und Vater erhielten Invalidenrente und waren eigentlich immer knapp bei Kasse. Meine Mutter hatte zwar einmal als Krankenschwester gearbeitet –

Weitere Kostenlose Bücher