Blutfrost: Thriller (German Edition)
dann im Kreis drehte, ehe sie ins Katzenklo kletterte. Nein, ich wollte überhaupt nicht an das denken, was Nkem da gesagt hatte. Schon so spritzte mir die Eifersucht aus jeder Pore. Sie sollte niemanden kennenlernen, sie gehörte mir.
Nkem hatte eine Plastiktüte mit massenhaft kleinen Schrauben und Plastikteilen gefunden, mit denen ich aber auch nichts anfangen konnte. Wir beide suchten die Gebrauchsanweisung. Ich roch ihren Eifer durch den süßen Talkumduft. Je aufgeregter sie war, desto stärker war ihr Geruch. Ah, mein sweetheart . Einer ihrer langen Zöpfe kitzelte mich an der Wange.
»Ich auch«, antwortete ich schließlich und atmete tief durch, um den Gedanken zu verdrängen: Ich durfte das natürlich, sie aber nicht. Ich spürte, wie sie mir durch die Finger rann, und fühlte mich schrecklich allein.
Sie sah mich an, distanziert, fürchterlich distanziert. Und ihr Blick fragte mich, ob es einen Zusammenhang gab zwischen meinen kahlen Zimmern und der Person, die ich getroffen hatte. War das wieder so ein unausgepackter Sadist? Das wäre ja nicht das erste Mal.
»Es wird nur wieder weh tun«, sagte ich, um sie zu provozieren.
Sie schloss die Augen, und in diesem Moment hätte ich ihr am liebsten eine geklebt.
»Aber auf ganz andere Weise. Er ist gelähmt.«
Sie wollte nichts mehr hören, auf jeden Fall sagte sie nichts, sondern arbeitete verbissen und mit auf den Boden gerichteten Augen weiter. Sie hatte genug von meinen Macken, die Kommode war die letzte Chance, die sie mir gab. Es war wichtig, siezusammenzubauen, buchstäblich ging es um Leben und Tod: Schnellstmöglich sollte mein Herz in einem Zimmer schlagen, das Wärme ausstrahlte, Heimeligkeit, ein Raum, der mich zum Guten transferieren könnte. Und dann würde ich auch bald den lebenstüchtigen und voll funktionsfähigen Psychiater mit fünf gesunden Gliedmaßen kennenlernen, der mich medizinisch und mit gesundem Essen aus dem eigenen Garten wieder in den Griff bekommen würde, auf dass wir gemeinsam ein langes, glückliches Leben führen konnten.
»Und was ist mit dir? Wen hast du kennengelernt?«, zwang ich mich zu fragen.
In all der Zeit, die ich Nkem kannte, hatte sie nie jemanden kennengelernt, auf jeden Fall nicht richtig. Sie hatte immer nur ihrer verlorenen Liebe nachgetrauert. Wie ich, nur auf andere Weise.
Sie zuckte mit den Schultern. »Einen netten Mann, nne . Aber jetzt lass uns bauen.«
Ich spürte, wie Verzweiflung in mir aufkeimte. Wenn sie wirklich jemand kennengelernt hatte, würde das, was zwischen ihr und mir war, zu Ende sein, und dann stünde ich vollkommen allein da.
»Könntest du mal zählen, wie viele Schrauben da sind? Von den jeweiligen Sorten?« Sie sah mich nicht an, sondern suchte weiter, hob den Karton an und räumte Kleinteile weg. Ich war gerührt. Sie wollte mir nur Gutes. Nur für mich roch sie so stark nach Talkum. Mein Blick fiel auf die Rückseite der Kommode, unter der die Ecke eines Blattes hervorragte. Ich hatte endlich die Gebrauchsanweisung gefunden.
»Suchst du nach der hier?« Ich zog sie hervor und reichte ihr das Blatt. Sie nahm es und warf prüfend einen Blick darauf: »Zehn verschiedene Schrauben, acht unterschiedliche Plastikdinger.«
»Die habe ich hier«, sagte ich und zeigte auf die Häufchen, die ich gemacht hatte.
»Es sind zehn große, acht mittlere und …« Sie zählte sie mit ihrem langen, weißen Zeigefingernagel.
»Können wir die nicht einfach irgendwo reinschrauben?«
Ich war gut in Mathematik. Ich dachte logisch. Konnte ohne Probleme Gegenstände in 3D rotieren lassen. Hatte ein Faible für Mustererkennung und Naturwissenschaften und konnte problemlos mit Hilfe der Du-Bois-Formel die Oberfläche meines Katers berechnen, und das, obwohl er vor kurzem seinen Schwanz verloren hatte. Ich musste nur die Oberfläche des Schwanzes berechnen und sie von der Gesamtkatze abziehen, um so eine etwas kleinere Katze zu bekommen. Ich hätte die Kommode mit verbundenen Augen zusammenbauen können, aber ich ließ sie machen. Schließlich meinte sie, es sei lebenswichtig für mich, eine Ikea-Kommode an einer leeren Wand stehen zu haben; dabei hatte ich gar nichts, was ich in diese Kommode tun konnte. Oder auf sie draufstellen. Manchmal kamen mir Frauen unglaublich banal vor.
Nkem reichte mir nach und nach die passenden Schrauben, ohne ein Wort zu sagen, und schließlich schob ich die oberste Schublade in den Korpus hinein, während sie, auf allen vieren hockend, noch immer mit der
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