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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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Verursachen von Krankheiten oder deren Symptomen durch nahestehendeFürsorgeberechtigte – im Prinzip die Eltern, in der Realität fast immer die Mutter. Man spricht auch von einer medizinischen oder ärztlichen Kindesmisshandlung, weil die Arztuntersuchungen und Behandlungen zu Übergriffen auf das Kind ausarten. Die Mutter schleppte das Kind zum Arzt und übertrieb entweder eine Krankheit, an der das Kind litt, erfand nicht-existente Krankheiten oder führte dem Kind eine Krankheit zu – zum Beispiel, indem sie das Kind Exkremente essen ließ oder diese dem Kind spritzte. Das Zufügen von Krankheiten wirkte auf den ersten Blick barbarischer als das Erfinden von Symptomen, aber eine gut vorgebrachte Lüge konnte oft genug dazu führen, dass ein Kind Medikamente mit ernsten Nebenwirkungen nehmen musste oder deutlich weitergehenden medizinischen Untersuchungen ausgesetzt war, bis hin zu schmerzhaften Operationen.
    Verätzung? Nichts, was ich in dem Bericht gelesen hatte, deutete auf MSBP hin, und auch jetzt, als ich im Auto saß und die Lüftung voll aufgedreht hatte, um die Kälte zu vertreiben, konnte ich an dem Fall nichts Münchhausentypisches erkennen.
    Schließlich waren MSBP-Frauen aber auch dafür bekannt, standhaft zu leugnen. Ich erinnerte mich an keinen Fall, in dem eine MSBP-Frau zusammengebrochen war und gestanden hatte: »Ja, ich habe meinem Kind geschadet, um Aufmerksamkeit zu bekommen.« Auch die beiden Eltern im Verätzungsfall leugneten alles. Sie bestritten, das Kind mit hochbasischer Flüssigkeit überschüttet zu haben, und gaben an, Josefine nicht weinen gehört zu haben. Beides war vollkommen unwahrscheinlich.
    Als die Lüftung endlich ein wenig Wärme zu verströmen begann, erkannte ich plötzlich, wieso Fyn Nielsen auf MSBP gekommen war. Das Kind hatte schließlich seit der Verätzungbereits zahlreiche Hauttransplantationen hinter sich und weitere sollten folgen, was mit langwierigen stationären Aufenthalten, zahlreichen Arztterminen und viel Aufmerksamkeit verbunden war. Aber Fyn Nielsen musste noch mehr im Sinn gehabt haben. Ich suchte mit steifen Fingern mein Handy heraus und rief ihn an.
    »Hier ist Krause«, sagte ich, als er mit einem Stöhnen ans Telefon ging. In diesem Moment hätte mir aufgehen müssen, dass es fünf Uhr morgens war, aber das blendete ich wirklich total aus. »Das Kind in diesem Verätzungsfall, ich müsste mir mal …«
    Er sagte nichts, aber irgendetwas ging auf seiner Seite der Leitung mit einem lauten Knall zu Boden, bevor er stöhnte:
    »Maria, verdammt, wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?«
    »Entschuldigung«, murmelte ich und spürte, wie sich eine gewisse Röte auf meinem Gesicht breitmachte. »Mich hat das wohl ziemlich gepackt. Darf ich Ihnen eine einzige Frage stellen?«
    »Können Sie noch immer nicht schlafen, Maria?« In seiner Stimme war etwas Väterliches, fast Mitfühlendes, das mir nicht gefiel.
    »Nein, nein, entschuldigen Sie – aber sagen Sie mir: Haben Sie die Krankenakte des Kindes irgendwo vorliegen, die war nicht im Polizeibericht?«
    »Nein, die haben wir nicht.«
    »Und wie kamen Sie dann auf die Idee, dass das etwas mit Münchhausen zu tun haben könnte?«
    »Jetzt kann ich Ihnen gar nicht mehr folgen.«
    »Sie haben mir gesagt, dass Sie mir den Bericht gegeben haben, weil ich eine Expertin für Krippentod bin – ich bin deshalb davon ausgegangen, dass Sie die Sache für einen Münchhausenfall halten …«
    » Gott bewahre! Nein, ich meinte bloß, dass Sie Erfahrung mit Kindern haben … Sie glauben doch wohl nicht …«
    »Nein, nicht notwendigerweise, aber könnten Sie nicht die Krankenakte des Kindes besorgen, damit wir überprüfen können, ob es darin irgendetwas gibt, was eine Münchhausentheorie stützen könnte?«
    Lange Pause. »Können wir nicht morgen darüber reden?«
    Morgen war Sonntag, und ich war und blieb ein ungeduldiger Mensch. »Können Sie nicht einfach diese Akte beschaffen?«
    »Doch, schon«, er seufzte. »Entschuldigen Sie, Maria, aber sind Sie betrunken?«
    »Nein, warum?«
    »Weil Sie so laut reden. Und es ist Samstagabend. Eigentlich eher Sonntagmorgen.«
    »Entschuldigen Sie.« Ich hätte in diesem Moment auflegen sollen, aber stattdessen fragte ich:
    »Sie wissen nicht zufällig, wie Eva Sommer vor ihrer Heirat hieß, also ihren Mädchennamen?«
    »Sie hieß Sommer. Warum?«
    »Bloße Neugier. Vergessen Sie, dass ich angerufen habe, und verzeihen Sie mir, sobald Sie können. Nochmals

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