Blutfrost: Thriller (German Edition)
Entschuldigung.« Ich legte auf und fühlte mich beschissen. Mit gutem Grund, sollte man meinen. Daniel hatte nicht gelogen. Er hatte tatsächlich den Namen seiner Frau angenommen. Plötzlich wurde mir bewusst, wie dumm und voll ich war. Was, wenn sich nun Fyn Nielsen dafür zu interessieren begann, wie Daniel geheißen hatte, bevor er den Namen seiner Frau angenommen hatte? Oh, verdammt! Ich sollte nur in meiner eigenen Gesellschaft trinken und ohne Telefone in Reichweite.
Ich nahm ein Kaugummi, falls ich angehalten werden sollte, und zündete mir eine Zigarette an, um den Alkoholgeruch imAuto zu überlagern. Und dann fuhr ich unangetastet durch das menschenleere Odense nach Hause und schimpfte mich nach Strich und Faden aus, während die weichen Schneeflocken sich in einer dicken Decke auf den Boden legten.
16
In dieser Nacht riss mich ein wahnsinnig lebensechter Traum aus dem Schlaf, in dem der Rollstuhlmann auf zwei Beinen herumlief, mich packte, herumschleuderte und gründlich durchfickte. Trotz meiner Erregung hatte dieser Traum etwas vollkommen Verkehrtes an sich; der Sog fehlte, die Anziehung. Ich zog mir die Decke über den Kopf und seufzte tief. Vielleicht war ich nur ein Freak, jemand, der auf Krüppel abfuhr und dessen krankhafte Lust aus dem Drang entstand, zu helfen. Klar, warum nicht? Ich hatte so schon so viele Macken, dass es auf eine mehr oder weniger nun auch nicht mehr ankam.
Dann kam mir in den Sinn, dass heute Nkem kommen und ihre Ikea-Therapie mit mir durchziehen wollte. Ich zog die Decke noch weiter über meinen Kopf. Mit Schaudern dachte ich daran, dass ich mitten in der Nacht den netten, immer gut gekleideten Fyn Nielsen angerufen hatte. Noch weiter hochziehen konnte ich die Decke nicht. Also sah ich stattdessen aus dem Fenster. Die Schneeflocken der Nacht hatten sich in grauen Regen verwandelt, der an die Scheibe klatschte, sodass ich mich entschloss, im Bett zu bleiben. Etwas Besseres fiel mir nicht ein. Natürlich klingelte es in genau diesem Moment an der Tür, und da stand sie, meine schwarze Lebenslinie, den Kopf voller kleiner Zöpfe und mit einem verdammt ernsten Ausdruck in den Augen.
Dies war nun also der Sonntag, an dem meine leeren Zimmer geschmückt und die leeren Räume meiner Seele möbliert werden sollten, wie sie es nannte.
Ich hatte im letzten Sommer nach meinem Einzug eine Kommode gekauft und noch nicht ausgepackt. Und sechs Stühle für den Esstisch, von denen auch erst zwei zusammengebautwaren. Die anderen Sachen steckten noch in ihren Pappkartons, und Nkem hatte daraus eine Unmenge an Schlüssen gezogen und das Auspacken zu ihrem Projekt gemacht. Mich störten die Kartons nicht, aber ich spielte mit und dachte im Stillen, dass sie bestimmt irgendwann einmal einen Hobby-Psychologie-Kurs an einer Volkshochschule besucht hatte.
Sie sah aus dem Fenster, während ich mich anzog und eine Tablette gegen den Kater und den schlechten Geschmack in meinem Mund nahm und sicher auch gegen alles andere, das ins Ungleichgewicht geraten war.
Dann fingen wir an:
Nkems behandschuhte Hände hielten die Kartons, während ich die Verpackung mit einem Brotmesser aufschnitt – sicher nicht das optimale Werkzeug, aber das war im Moment sekundär. Die Klinge drang mit einem tiefen Schaben durch den Karton, und ein langer unebener Schlitz eröffnete uns die Welt von Ikea, als die Kommodenteile herausfielen und auf den Boden knallten. Nkem warf die Pappe zur Seite. Die Kommode schien aus einer Rückseite, zwei Seitenteilen, einer Reihe von Schubladen und einer Unmenge von Kleinteilen zu bestehen, die ich nicht zuordnen konnte. Schwer atmend krochen wir am Boden zwischen den Teilen herum. Ich suchte nach einer Gebrauchsanweisung und vermutete, dass das alles in China hergestellt worden war. Irgendwie gingen mir die Chinesen nicht mehr aus dem Kopf und ich stellte mir vor, dass sie überall waren und auch das Institut mit neuer Energie erfüllten. Mit mehr Leichen, mehr Forschung und besseren Resultaten. In Gedanken sah ich sie überall mit ihren kleinen, schnellen Füßen herumrennen. Es sah verdammt merkwürdig aus. Obduktionskittel in Kindergrößen. Irgendwie vollkommen verkehrt. Und sie wollten mich feuern, weil ich problematisch war, ineffektiv und sozial inkompetent.
»Ich habe jemanden kennengelernt«, sagte Nkem mit ihrer tiefen Stimme. Auch das klang verkehrt. Sagte man überhaupt so etwas? Ich musste an meine schwanzlose Katze denken, die erst auf dem Boden kratzte und sich
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