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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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Schlafen tot aufgefunden. Es gab keine Anzeichen dafür, dass er im Augenblick des Todes gelitten hat. Der plötzliche Kindstod war der Albtraum aller frischgebackenen Eltern. Ein stiller Tod, der weder durch richtige Kost noch das richtige Bett oder irgendwelche Babyphone vermeidbar war. Es war diesbezüglich viel geforscht und spekuliert worden, und es gab einen Haufen von Theorien. Die letzte besagte, dass es mit Bakterien in den Luftwegen der Kinder zu tun habe. All diese Theorien waren aber nicht mehr als allenfalls mehr oder weniger gut begründete Annahmen, um das Phänomen zu erklären. Die Mutter, die in dem alten Video versucht hatte, ihr Kind mit einer Plastiktüte zu ersticken, hatte noch ein Kind gehabt, und dieses Kind hatte tatsächlich den Krippentod erlitten – angeblich,man glaubte das jedenfalls, bis das Video aufgenommen und vor Gericht genutzt worden war. Danach zweifelte man nicht mehr daran, dass die Mutter auch ihr erstes Kind erstickt und dies als lebensbedrohliche Apnoe getarnt hatte. Krippentodkinder starben an Apnoe – wobei das eigentlich nur eine Pause der Atmung war; diese konnte bei Säuglingen aber so lang werden, dass das Sauerstoffniveau im Körper auf eine tödliche Marke absinkt.
    Mir war kalt, also setzte ich mich ins Auto, auch wenn es drinnen nicht wirklich wärmer war. Ich schaltete den Motor ein, knöpfte meinen Mantel zu und konzentrierte mich darauf, den Alkohol zu verbrennen. Dann schaltete ich das Radio ein, Roxette und Neverending Love dröhnte aus den Lautsprechern, sodass ich schnell den Sender wechselte, ohne zu überprüfen, welchen Knopf ich drückte. Eine gelehrte Stimme dozierte: … auf Schloss Bodenwerder geboren und diente als Page bei Fürst Anton Ulrich II. von Braunschweig Lüneburg … Ich bewegte den Finger zum nächsten Knopf, der das Ganze zum Schweigen bringen sollte, landete aber nach einem Klick zu oft wieder bei der gelehrten Stimme, die nun verkündete, dass es sich um Karl Friedrich Hieronymus handelte, später weltberühmt als Baron von Münchhausen. Der Kerl, der seine Lügengeschichten erzählt hatte, war also auf Schloss Bodenwerder geboren worden. Ich schaltete das Radio aus und starrte ins Dunkel. Plötzlich war er überall: Baron von Münchhausen hatte seinen Namen geben müssen für zwei pathologische Syndrome, bei denen man entweder Krankheitssymptome bei sich selbst oder bei anderen erfand oder zufügte, wobei Letzteres Münchhausen by Proxy genannt wurde. Es deutete alles darauf hin, dass eine seltsame anonyme Frau, die sich »E« nannte, ein Kriminalkommissar, ein fremder Mann in einem Rollstuhl und jetzt auch noch eine Stimme im Radio sich verschworen hatten, um miretwas mitzuteilen. Hatte Fyn Nielsen das nicht auch bei seinem Gerede über den plötzlichen Kindstod im Kopf gehabt? Hinter seiner hübschen Stirn hatte sein Kopf aus gutem Grund den Fehler gemacht, Münchhausen und Krippentod zu vermischen. Dabei war das ganz und gar nicht das Gleiche. Trotzdem war der Krippentod von Säuglingen wie geschaffen für Frauen, die an Münchhausen by Proxy litten, denn Apnoe existierte in einer mehr oder weniger unerklärlichen Form, und zwischen den Anfällen waren die Kinder vollkommen normal. Fyn Nielsen ging es also in Wirklichkeit darum, zu überprüfen, inwieweit dieser spezielle Fall von Kindesmisshandlung meiner Meinung nach von einer Person ausgeführt worden sein konnte, die an Münchhausen by Proxy – oder MSBP, wie es in der Fachsprache hieß – litt.
    Ich dachte nach. Josefines Geschichte war sicher kein typischer Münchhausen. Soweit ich das sah, war das nur ein unverständlicher, widerlicher und ziemlich bizarrer Fall von Kindesmisshandlung. Andererseits ging es in den Briefen von E bestimmt um eine Münchhausenmutter, daran gab es keinen Zweifel. Aber der Verätzungsfall? Wir pflegten zu sagen, dass alle Fälle von MSBP Kindesmisshandlungen waren, aber nicht alle Fälle von Kindesmisshandlung waren auf MSBP zurückzuführen – wie hoch die Quote war, wusste niemand, denn nur selten hatte man ein klares Bild. Es war das Letzte, an das ein Arzt dachte, wenn eine besorgte Mutter immer wieder mit ihrem unerklärlich kranken Kind auftauchte. Denn dass eine Mutter es darauf abgesehen hatte, ihr Kind zu schädigen, war immer irgendwie widernatürlich.
    MSBP war sicher die komplizierteste und häufig lebensgefährliche Form von Kindesmisshandlung. Das Syndrom war definiert als das Erfinden, Übersteigern oder tatsächliche

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