Blutfrost: Thriller (German Edition)
von »E«s Geschichte zu lesen begann. Mit einem Mal war meine ganze Wut verflogen:
Dr. Krause,
am nächsten Tag fuhren wir sehr, sehr lang zu einem neuen Arzt. In diesem Ort war ich vorher noch nie gewesen. Meine Mutter sagte auf der ganzen Fahrt kein Wort, und als wir schließlich da waren, pflanzte sie mich im Wartezimmer auf einen Stuhl, bevor sie an der Rezeption flüsternd ihre Angaben machte. Aber so laut, wie ihr Flüstern war, hätte sie ebenso schreien können. Ich schäme mich für meine Krankheiten, sagte sie, und wollte gerne direkt mit dem Arzt sprechen.
Bald darauf saß ich wieder auf der knisternden Papierunterlage einer Untersuchungsliege und starrte auf eine Unmenge von Instrumenten auf einem metallenen Rolltisch. Ich fand es merkwürdig, dass ich keine Unterhose trug, aber die Arzthelferin hatte mich gebeten, sie auszuziehen. Mein Slip lag gemeinsam mit meinen Jeans auf einem blauen Stuhl, der vor mir stand. Die Helferin war gegangen. Ich fror etwas. Das Metall der Liege war kalt. Ich starrte auf die Tür.
Irgendwann ging sie auf, und zwei Arzthelferinnen kamen herein. Die eine bat mich, mich hinzulegen, und packte meine Schultern, als es ihr scheinbar nicht schnell genug ging. Während ich die Papierunterlage unter mir zurechtrückte, umfasste die andere Helferin mit eiskalten Fingern meine Knöchel und drückte meine Beine auseinander.
»Du musst deine Beine jetzt in diese Halterungen legen«, sagte sie und legte meine Hacken auf etwas, das sich richtig eisig anfühlte. Als ich die Augen öffnete, sah ich, dass meine Füße in Stahlhalterungen steckten. Für einen Augenblick dachte ich, dass jetzt auch mit meinen Füßen etwas nicht stimme. Vielleicht wurden sie in diesen Halterungen vermessen.
»Was machen Sie da eigentlich?«, fragte ich schließlich, und meine Stimme muss wie die einer kleinen Maus geklungen haben, die in die Falle geraten war. Die Arzthelferin neben mir band mir einen Plastikriemen um meinen Oberarm, zog ihn stramm und sagte nichts. Die andere, die meine Füße in diese Halterungen geschoben hatte, legte ihre kalten Hände auf meine Unterschenkel und sagte: »Du hattest doch Schwierigkeiten, Wasser zu lassen, nicht wahr? Wir wollen deshalb untersuchen, was da nicht in Ordnung ist. Dazu müssen wir dir einen Katheter in die Urethra einführen.«
Urethra? Schwierigkeiten mit dem Wasserlassen? Ich machte ins Bett! Nach dem Riesenfleck auf dem Laken und dem durchnässten Pyjama musste das eine ganze Menge gewesen sein. Aber ich schwieg.
Die Arzthelferin neben mir wischte meine Armbeuge mit einem nassen, kalten Wattebausch ab, und das ganze Zimmer roch nach Alkohol. Sie klopfte meinen Arm ab, um eine Ader zu finden. Das hatte ich schon so oft mitgemacht. »Jetzt gibt es einen kleinen Stich.« Dabei war es viel unangenehmer, fühlte sich an, als beginne mein Blut mit einem Mal zu kochen. Ich begann laut zu schreien. Mit einem Schnalzen löste die Helferin den Plastikriemen, und ich zog den Arm zu mir.
»Ich weiß ja, dass das nicht angenehm ist«, sagte die Arzthelferin zu meinen Füßen, »aber willst du nicht ein großes Mädchen sein und still liegen bleiben?« Ich fühlte mich nackt und bloßgestellt und zog meine Füße aus den Gestellen. Dann kauerte ich mich zusammen und weinte.
»Kleines, hör doch auf!«, sagte die erste Arzthelferin ungeduldig. Ich konnte jedoch nicht aufhören, bekam meinen anderen Arm frei, legte ihn über meine Augen und weinte in meine Armbeuge, bis sie ganz nass von Tränen und Rotze war, die ich mir im Gesicht verschmierte.
»Die Jodinjektion färbt deinen Urin, damit wir sehen können, was da vor sich geht«, versuchte mir die andere Arzthelferin zu erklären. Es juckte überall, innen wie außen, und ich wand mich wie eine Schlange auf der Liege. Mein Gesicht war nass von Tränen, und plötzlich verlor ich das Bewusstsein.
Als ich wieder aufwachte, schmerzte mein ganzer Körper. Meine Mutter beugte sich über mich und zeigte auf mein Gesicht.
»Sie hat da drei Schwellungen im Gesicht«, sagte sie. »Na, jetzt bist du ja aufgewacht. Warst du ein braves Mädchen?«
Alles an mir juckte und brannte, und ich begann sogleich wieder zu weinen.
»Sie muss allergisch auf den Kontraststoff sein«, sagte die Arzthelferin und vermerkte diese Information auf der Karteikarte.
»Komm, Mädchen, setz dich auf und zieh dich an«, sagte meine Mutter und lächelte die Arzthelferin an.
Draußen auf dem Flur kauerte ich mich weinend auf einem
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