Blutfrost: Thriller (German Edition)
Plastikstuhl zusammen, während meine Mutter fröhlich mit dem Arzt plauderte. Irgendwann begannen sie Dänisch zu reden. Ich horchte auf. Zum Schluss hörte ich sie sagen, dass er gerne ihre Telefonnummer haben könne, und ich blickte auf und sah die Augen des Arztes, als er meine Mutter ansah. Sie strahlte. Er erwiderte ihr Strahlen beinahe auf die gleiche Weise, als stünden sie beide in diesem heiligen Licht. Ich wusste, dass das etwas zu bedeuten hatte. Er nahm eine Karte aus seiner Kitteltasche und reichte sie ihr, und dann legte er ihr seine Hand auf die Schulter. Sie sahen sich lange an, bis Mutter sich schließlich losriss und mich rief.
Draußen im Auto musterte sie mich besorgt. »Du bist ja ganzblass. Geht’s dir schlecht?« Sie reichte mir ein Glas Paracetamol. »Nimm ein paar von denen hier.«
Schon während wir aus der Stadt fuhren, die ich nicht kannte und von der ich nicht einmal den Namen wusste, begann sie zu summen. »Gut, dass wir das so schnell hinter uns bringen konnten. Jetzt wissen wir endlich, was los ist, wenn du einen deiner blöden Anfälle bekommst. Die Ärzte haben es gern, wenn man weiß, wovon man spricht.«
Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete, hatte die Stirn an die Seitenscheibe gelehnt und sabberte vor mich hin.
Mutter sang auf dem ganzen Rückweg, und als wir endlich zu Hause waren, nahm sie ein Bad. Ich schob meine Hand in ihre Tasche und fand die Karte, die der Arzt ihr gegeben hatte. Er war Urologe. Für mich klang das irgendwie wie Urethra, aber was ich mir einprägte, war sein Name. Ich hatte das Gefühl, dass ich diesen Mann wiedersehen würde.
Aber all das wissen Sie ja, Dr. Krause.
– E
All das wusste Dr. Krause. Ja, nur dass dieser Dr. Krause nicht ich war.
23
Dr. Krause war Daniel. Er war der Urologe, der in den USA gewohnt hatte. Und er war mit Eva verheiratet, dem Monster, das seine Kinder umbrachte. Plötzlich machten die seltsamen Nachrichten Sinn. Die Macht der Erkenntnis brodelte in mir. Evas Tochter machte Daniel ganz einfach klar, mit wem er verheiratet war. Ich las die E-Mail noch einmal und dachte nach. Es gab ein paar Sachen, die mir nicht passten, insbesondere, dass ich Daniel gerne wegen Kindesmisshandlung drangekriegt hätte. Wegen schwerer Körperverletzung. Vielleicht ließ sich das ja noch machen, wenn diese E-Mails niemand zu Gesicht bekam.
Doch wie war es möglich gewesen, dass »E« sich konstant an die Falsche gewandt hatte? Ich sah noch einmal meine eigenen E-Mails durch. In meiner Signatur unten auf der Seite stand tatsächlich kein Vorname. Ich schrieb sie selbst und variierte je nach Empfänger. Mal schrieb ich Dr. Krause, mal Maria Krause, mal nur Maria. Mitunter war es ein Vorteil, sein Geschlecht zu verbergen. Nicht nur vor möglichen Stalkern, sondern ganz allgemein vor Männern, insbesondere älteren Männern, die die Aussagen einer Rechtsmedizinerin einfach nicht ernst nahmen. Außerdem war ich ein paar Mal von Männern belästigt und beschimpft worden, die sich darüber beschwerten, dass eine früher so ehrenhafte Männerdomäne jetzt von Frauen überschwemmt wurde, die das Niveau senkten. Manchmal war es deshalb am einfachsten, nur mit Dr. Krause zu unterschreiben. In »E«s Fall hatte ich mir automatisch den Namen Dr. Krause zugeteilt, weil sie mich selbst so angesprochen hatte. Doch in der Standardsignatur, die unter allen E-Mails stand, die mein Büro verließen, stand: Rechtsmedizinisches Institut . Danach folgtenTelefon- und Faxnummer, E-Mail-Anschrift und die Postadresse. Aber diese Signatur stand weit unten. Konnte sie sie übersehen haben?
Ich schickte mir selbst eine E-Mail und sah sie mir genau an. Tatsächlich, wenn man etwas fahrig war, konnte man die Signatur durchaus überlesen. Möglicherweise wusste »E« aber auch gar nicht, was ein Rechtsmedizinisches Institut war oder was man da machte. Sie war ja noch ein Kind. Oder nicht? Ich sah mir die alten Nachrichten noch einmal an und fand schließlich eine Stelle, an der sie schrieb, ihre Mutter sei bei ihrer Geburt siebzehn gewesen. Eva Sommer sah nicht gerade alt aus. Ihr Alter hatte in der Akte gestanden, aber die hatte ich Fyn Nielsen längst zurückgegeben. Also rief ich ihn an und fragte nach. Zweiundvierzig. »E« war also schon fünfundzwanzig. Und damit kein Kind. Zugegeben, ihre seltsamen E-Mails klangen auch nicht so, als hätte ein Kind sie geschrieben. Dann blieb nur die Möglichkeit, dass sie meine Antworten gar nicht gelesen hatte. Sie waren ihr
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