Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
Vom Netzwerk:
Geld, und nachdem ich sechs Kilo zugenommen hatte, weil ich mich ausschließlich von Pommes, Burgern und Eis ernährte, besaß ich ein kleines Vermögen. Jedenfalls kamen mir, die nie etwas verdient hatte, die zweihundert Dollar wie der reinste Schatz vor. Also kaufte ich mir neue Sachen und fuhr ins Zentrum, wo ich einen Job in einem viel besseren Diner bekam, ein Laden mit ellenlangen Speisekarten, wo die Bedienungen schicke rote Uniformen trugen. Die Besitzerin hatte eine Wohnung, in der ihre Angestellten Zimmer mieten konnten. Ich arbeitete nach wie vor hart und viel, sodass ich abends in meinem spartanisch eingerichteten Zimmer vor Müdigkeit umkippte. DieArbeit lenkte mich ab und machte mich froh, denn die Müdigkeit und der schwere Schlaf vertrieben die Gedanken. Nur einmal, als ich gegen meinen Willen einen freien Tag hatte, brach ich zusammen; die Gedanken in meinem Kopf und die brodelnde Unruhe in meinem Körper trieben mich zum Wahnsinn. Die Selbstvorwürfe, meinen Bruder verraten zu haben, suchten mich wieder heim. Warum hatte ich es zugelassen, dass meine Mutter ihn getötet hatte? Jetzt aus der Distanz sehe ich ein, wie verrückt es war, in meinem Zimmer zu sitzen und mir mit dem Gemüsemesser, das ich aus der Küche hatte mitgehen lassen, kreuz und quer die Arme aufzuritzen. Aber irgendwie musste ich mich ja bestrafen. Doch obwohl ich mit all den Narben auf den Armen schrecklich aussah, war das, wenn ich ehrlich sein soll, eigentlich keine Strafe. Es gab mir Sicherheit, war fast wie in meiner Kindheit, in der ich ständig von Nadeln und Skalpellen gequält worden war. Wenn ich mir Schmerzen zufügte, roch ich die Krankenhäuser, die ich lieben gelernt hatte, die Krankheiten, die Reinigungsmittel und die Medizin. Und wenn es mich mitten bei der Arbeit überkam, verbrannte ich mich absichtlich an einer Kochplatte oder am Ofen. Irgendwann später war ich es dann aber leid, diese Narben immer wieder erklären zu müssen, weshalb ich mir beide Arme vollständig zutätowieren ließ. Jetzt sind sie richtig schön.
    Geld brauchte ich noch immer keins, und wenn ich mich nicht selbst bestrafte, hielt ich nach einer Mutter Ausschau, auf den Straßen, im Fernsehen, im Diner, überall. Oder ich lag auf meinem Metallbett und dachte an all die Dinge, die wir gemeinsam tun würden, wenn ich sie endlich gefunden hatte. An die Gespräche, die wir führen würden, die Vertrautheit, die Liebe zwischen Mutter und Tochter. Liebe und Vertrautheit waren fast so etwas wie eine Besessenheit – wie früher meine Kopfschmerzen. Auch wenn ich gar nicht so genau wusste, was diese beiden Dinge eigentlich bedeuteten.
    Auf der Suche nach dieser Frau lief ich mir die Füße wund und verlor dabei auch all die Pfunde, die ich in der Fetthölle der Trucker angesammelt hatte. Ich hielt nach jemandem Ausschau, der mich mit einem ganz speziellen, gleichermaßen warmen und intelligenten Blick ansah, und ich war mir sicher, dass ich diesen Blick sofort erkennen würde. Dieser Mensch würde mich ohne jeden Vorbehalt zu sich nehmen und den leeren Sog in mir auslöschen, der mich immer dann heimsuchte, wenn ich mein Leben nicht mit Arbeit, todesgleichem Schlaf und Selbstbestrafung füllte. Besonders nachts. Ich schlief schlecht, weil ich immer das Gefühl hatte, dass in meinem Inneren eisige Winde wehten. Oft hatte ich den Eindruck, ich wäre unser altes, gespenstisches Haus, das verlassen dastand und durch das der Wind fegte, sodass es überall klapperte und knirschte, obwohl alle Türen und Fenster verriegelt und verrammelt waren. Ich bin mit allen ins Bett gegangen, die sich angeboten haben, egal ob groß oder klein, reich oder arm, aber auch das hat nicht im Geringsten geholfen. Meine Arbeitgeberin hatte ständig ihre Finger auf mir und küsste mich, wann immer es ging, aber auch das half nicht, ich weiß, dass sie das nur tat, weil sie dankbar war, dass ich immer bis zur Erschöpfung gearbeitet habe.
    Die, nach der ich suche, ist das Gegenteil von alldem, aber jetzt muss ich los …
    Deine Emily
    Meine Emily!
    Ich richtete mich auf und las eine Passage noch mal:
    Soll ich die Geschichte abkürzen? Soll ich das wirklich tun? Dabei gefällt es mir, dir zu schreiben … außerdem müssen wir uns doch kennenlernen. Das verstehst du doch, oder?
    Was war passiert? Wie war es gekommen, dass sie tatsächlich mein geworden war? Das hier war keine Fantasie, oder? Das hier war echt. Und sie erzählte mir wirklich alles. (Nur nicht das, worum ich sie

Weitere Kostenlose Bücher