Blutfrost: Thriller (German Edition)
»Was?«
»Institutssitzung. Immer der gleiche Tag, immer die gleiche Zeit, jede Woche aufs Neue.«
»Oh!« Ich stand auf und folgte ihr gehorsam.
29
Wir redeten eigentlich nur über den Prozess während der Sitzung und über die Frage, wie der Staatsanwalt es anstellen wollte, bei der Revision genug Beweise für einen Schuldspruch zu bekommen. Bonde Madsen lobte erneut meinen Selbstversuch. Er nannte ihn bahnbrechend und forderte mich auf, einen Artikel darüber zu schreiben.
Ich wusste noch immer nicht, was ich tun sollte: War es richtig, Emily unter Druck zu setzen, damit sie eine Aussage machte?
Kaum im Büro zurück, checkte ich meine E-Mails. Sie hatte tatsächlich bereits geantwortet:
Sie ist wirklich freigesprochen worden! Das ist krass! Ich habe es gerade in der Zeitung gelesen. Warum hast DU nichts gesagt?
Ich bekam es mit der Angst zu tun und antwortete:
Ich habe es selbst gerade erst erfahren. Aber der Staatsanwalt hat Berufung eingelegt. Kannst du mich nicht anrufen? (42424258)
Sie antwortete sofort:
Was bedeutet das? Wann wird der Fall dann wieder verhandelt? Wo wird Josefine in der Zwischenzeit sein?
Ich antwortete:
Ich denke, Josefine wird bei ihren Eltern sein. Sie sind ja freigesprochen worden. Genau weiß ich es aber noch nicht.
Es vergeht bestimmt ein Jahr, bevor der Fall wieder vor Gericht kommt. Das ist immer so. Die Polizei muss neue Beweise finden, und sie muss herausfinden, ob es deine Mutter oder ihr Mann war, der das getan hat. Willst du nicht lieber anrufen, das würde es um einiges leichter machen?
Ich konnte gerade noch ihre Antwort lesen:
Das ist doch unglaublich! Ich meine, sie ist HOCHSCHWANGER ! Sollen ein Kindermörder und eine Kindesmisshandlerin EIN JAHR lang mit zwei Kindern allein gelassen werden? Das darf doch nicht wahr sein! Wie kann man so etwas denn zulassen?
Plötzlich stand Ruth mit hochgezogenen Augenbrauen in der Tür.
»Sie warten auf Sie.«
»Wer denn jetzt schon wieder?«
»Zwei Männer vom Versorgungsamt, Abteilung Berufsschadensausgleich.«
»Oh, Mist. Ich habe doch heute noch so viel zu tun.«
»Das wussten Sie aber doch, als Sie diesen Termin gemacht haben.«
Ich nahm mein Handy mit, sollte Emily doch noch anrufen, was sie nicht tat. Als ich zurückkam, schrieb ich ihr gleich wieder.
Wenn du in dem Revisionsverfahren aussagen würdest, könntest du dir sicher sein, dass sie verurteilt wird. Was meinst du dazu?
Ich wusste selbst nicht, ob ich das wirklich für eine gute Idee hielt. Emily antwortete sofort:
Deine Antwort hat aber auf sich warten lassen!!! Wie hoch wird die Strafe sein, wenn sie verurteilt wird?
Dieses Mal antwortete ich sofort:
Entschuldige, aber ich bin auf der Arbeit. Und ich habe wirklich keine Ahnung. Bestimmt nicht sonderlich hoch. Ein paar Jahre vielleicht.
Ich sah in meinen Kalender. Da stand nur Institutssitzung und Treffen mit Beamten des Versorgungsamts. Keine weiteren Termine. Gut, denn wir waren sicher noch nicht fertig:
Wie kannst du so ruhig bleiben?! Ich habe deine Zeugenaussage gehört. Du hasst sie!!! Das weiß ich! Oder habe ich mich in dir geirrt?
Bei dem Gedanken, sie verlieren zu können, wurde mir kalt vor Schreck. Genau in diesem Augenblick klopfte es an meine Tür, und Ruth kam mit einem Bericht herein, den sie auf meinen Tisch legte.
»Könnten Sie den an Nkem zurückgeben, wenn Sie damit fertig sind? Sie hat darum gebeten, ihn so schnell wie möglich zurückzubekommen.«
Als sie wieder fort war, schrieb ich:
Glaub mir, ich bin alles andere als ruhig. Es wäre einfacher, wenn wir miteinander reden könnten. Ruf mich heute Abend an.
Ich starrte ängstlich auf den Bildschirm, stand auf und ging mit dem Bericht unter dem Arm nach oben in den zweiten Stock. Nkems Tür stand offen, und als ich nah genug war, hörte ichgedämpfte Stimmen. Es waren unverkennbar Nkems weicher Bass und Karolys raspelnde Bodega-Stimme. Gerade als ich zur Tür hereinkam, fing ich das Wort »Bruder« auf. Sie verstummten beide und sahen mich leer an.
»Ich wollte eh gerade gehen«, sagte Karoly. »Danke für die Infos, Nkem.«
Ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen oder noch irgendetwas zu sagen, schob er sich an mir vorbei durch die Tür und verschwand über den Flur. Ich war paranoid, das wusste ich, doch die Nervosität, die ich in diesem Augenblick spürte, fühlte sich wirklich lebensbedrohlich an. Ich stand einfach nur da und fixierte Nkem, ohne ein Wort zu sagen. Ihr Gesicht verriet mir nichts, ich
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