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Blutfrost: Thriller (German Edition)

Blutfrost: Thriller (German Edition)

Titel: Blutfrost: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Staun
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nichts, denn ich hatte kein Geld, und da meine Mutter pleite war, konnte ich ihr nichts klauen. Also ging ich zu Fuß aus der Stadt, vorbei an der Schule, bis ich irgendwann den Daumen ausstreckte. Ich musste nach Rochester, kostete es, was es wollte.
    Ich hatte in Filmen gesehen, dass junge Mädchen beim Trampen von irgendwelchen verrückten Triebtätern eingesammelt wurden, aber leider – in diesem Fall glücklicherweise – war mein Leben kein Film, und ich wurde von einem alten Mann in einem Lastwagen mitgenommen, den ich schon oft mit einer Flasche in einer braunen Papiertüte durch die Stadt hatte laufen sehen. Er roch streng nach Bier, sah aber einigermaßen nüchtern aus, weshalb ich bei ihm einstieg.
    »Bist du nicht die kleine Levine?«, fragte er, und das konnte ich ja kaum leugnen. Shit, dann sagte er das sicher meiner Mutter. »Schade für deine Mutter, dass sie mit so einem Säufer zusammenleben muss.« Es gefiel mir nicht, dass er so über meinen Vater redete. »Und wohin willst du, Kleine?«
    »Ich will meine Tante in Buffalo besuchen«, log ich und erinnerte mich, dass Buffalo irgendwo links lag, sodass ich in Scottsville aussteigen musste, wenn er bis dahin fuhr.
    »Dann kannst du bis Arkport mitfahren, ich muss da bei einem Freund Holz holen.« Summend fuhr er aus der Stadt. »Und deine Mutter erlaubt dir, per Anhalter zu fahren?«, fragte er nach einer Weile. Ich zuckte mit den Schultern. »Ihr ist das egal.«
    Der Mann sah mich etwas ärgerlich an. Als wäre ich es und nicht er, der mit einer braunen Tüte herumrannte und soff. »Wie alt bist du eigentlich? Dreizehn?«
    Ich war dünn und klein, das wusste ich selbst, schließlich hörte ich das tagaus, tagein von meinen Klassenkameraden. »Brett mit Nägeln« nannten sie mich.
    »Ich bin sechzehn«, antwortete ich und wünschte mir, dass er die Klappe hielt.
    Zum ersten Mal in meinem Leben war es interessant, aus dem Fenster zu schauen. Ich hatte noch nie in einem Auto gesessen, das mich nicht zu irgendeinem Arzt oder wieder zurück nach Hause brachte, mit meiner vor sich hinplappernden Mutter am Steuer. Mit einem Mal sah alles vollkommen anders aus. Die gelben, blauen, roten Holzhäuser waren so unterschiedlich, und dann gab es noch grüne Felder, Hügel, Täler, Seen … Ich sah mich um, blickte durch alle Fenster und fragte nach den Namen der Dinge, an denen wir vorbeifuhren. Früher hatte ich nie etwas gesehen, da hatte ich einfach nur im Auto gesessen, den Kopf an die Scheibe gelehnt und leer in die Unendlichkeit gestarrt, während meine Mutter das Innere des Wagens mit ihrem Geschwafel gefüllt hatte. Ich hasste sie aus ganzem Herzen, das spürte ich plötzlich ganz deutlich.
    Als der Mann mich in Arkport absetzte, war ich bereits todmüde und überwältigt von all den Eindrücken, und als ich kurz darauf zu einem deutschen Lastwagenfahrer in das Führerhaus kletterte, entschuldigte ich mich gleich und legte den Kopf zum Schlafen an die Scheibe. Der Fahrer weckte mich aber gleich wieder auf. Vermutlich langweilte er sich, außerdem fragte er, wohin ich wolle. Ich sagte ihm, dass ich in Rochester Arbeit suchen wollte. In einemDiner. In meinen Fantasien stellte ich mir das unheimlich romantisch und exotisch vor.
    Soll ich die Geschichte abkürzen? Soll ich das wirklich tun? Dabei gefällt es mir, dir zu schreiben … außerdem müssen wir uns doch kennenlernen. Das verstehst du doch, oder?
    Okay, ich mache es trotzdem kurz: Mit Hilfe des Lastwagenfahrers fand ich noch am gleichen Tag Arbeit in einem Truck Stop Diner, so nannte sich die Kaschemme. Aber ich sage dir eins, Maria: Das Leben dort war nicht romantisch, nein, das war kein Ort, an dem man freiwillig seine Zeit verbrachte, wenn man nicht selbst Fernfahrer war. Das Essen war schrecklich, sogar für mich, die in ihrem Leben ja noch nicht viel Gutes bekommen hatte. Es ging wirklich nur darum, den Fahrern genügend Kaffee einzuflößen und ihre Bäuche mit etwas zu füllen, damit sie wach blieben.
    Nachts schlief ich in einer Art Vorratsschrank für die Decken, gemeinsam mit einem Jungen aus Mexico, der sich immer in den Schlaf weinte, sicher nicht älter als dreizehn war und kein Wort Englisch sprach. Er räumte die Tische ab, während ich hinter dem Tresen stand und die Bestellungen aufnahm, sie in die Kasse tippte, bediente und mir hin und wieder einen Happen aus der Küche stibitzte. Ich wage gar nicht zu sagen, was sie mir bezahlten, eigentlich nichts, aber ich brauchte ja auch kein

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