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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Note. Es hingen keine Plakate, Bilder oder gerahmte Zeugnisse an den Wänden, es gab keine Fotos von Hatton in händeschüttelnden Begegnungen mit Prominenten, nicht einmal Bilder von seiner Familie. Da war nur der Mann, der hinter einem riesigen Schreibtisch saß und durch sein Fenster Washingtons menschliche Komödie betrachtete.
    Hatton telefonierte gerade, als das Päckchen gebracht wurde. Er warf einen Blick darauf, registrierte die Londoner Adresse des Absenders und legte es erst einmal beiseite. Am anderen Ende der Leitung hatte er einen US -Senator, der mit einiger Berechtigung befürchtete, angeklagt zu werden. Hatton würde ihm einige Minuten lang zuhören müssen, bevor er ihm den unschlagbaren Rat gab, ein Rat, für den er berühmt geworden war: «Unternehmen Sie nichts.» Das war stets Hattons Rat, und er lag damit fast immer richtig.
    Robert Hatton hatte dazu beigetragen, seine Anwaltskanzlei zu einer der tragenden Säulen des Washingtoner Establishments zu machen. Wie das meiste, was in der Hauptstadt Bestand hatte, hatte auch die Kanzlei ihre Wurzeln in der Demokratischen Partei. Sie war in den sechziger Jahren von einer Gruppe junger Anwälte der Kennedy-Ära gegründet worden, die zu dem Schluss gekommen waren, dass es an der Zeit war, ernsthaft Geld zu verdienen, nachdem Camelot in Ruinen lag. Und das hatten sie getan. In den rund dreißig Jahren, die seitdem vergangen waren, hatte die Kanzlei unter republikanischen und demokratischen Regierungen gleichermaßen floriert und den Durchbruch zu dauerhafter Prosperität geschafft. Den meisten Klienten fiel es inzwischen schwer, sich daran zu erinnern, was die Seniorpartner vor der Gründung der Kanzlei gemacht hatten, denn sie waren alle aus anderen Bereichen gekommen. Seymour «Sy» Dubin war stellvertretender juristischer Berater im Ausschuss für Haushaltsfragen gewesen. John Marola war Leiter der Abteilung für Wirtschaftsverbrechen im Justizministerium gewesen. Und was Hatton anging, so war sogar alten Freunden nicht ganz klar, was er gemacht hatte, bevor er die Anwaltskanzlei eröffnete – irgendwas im Ausland –, was an sich schon eine Art Hinweis war. Wenn er von wichtigen Klienten zu einer Antwort gedrängt wurde, pflegte Hatton zu sagen, er habe vor langer Zeit für das Culinary Institute of America gearbeitet, wobei er ihnen zuzwinkerte. Entweder sie kapierten es oder nicht; wenn nicht, gab es trotzdem keine weiteren Erklärungen.
    Anfang der neunziger Jahre waren bei Hatton, Marola & Dubin bereits über hundert Anwälte beschäftigt. Wie die meisten großen Anwaltskanzleien in der Stadt pries sie sich als ein umfassendes Dienstleistungsunternehmen an, das sich um sämtliche Probleme ihrer Großklienten kümmern könnte. Die Kanzlei hatte eine Steuerabteilung, die immer noch von Dubin geleitet wurde, eine Abteilung für Strafverteidigung, der Marola vorstand, und eine Immobilienabteilung. Die Einkünfte der Kanzlei hatten über die Jahre stetig zugenommen, und die meisten Leute schrieben den erstaunlichen Erfolg der Firma dem Geschick ihrer Anwälte und dem großen Klientenstamm zu. Nur die Geschäftsleitung der Kanzlei wusste, dass es nicht stimmte. In Wahrheit diente der größte Teil der Aktivitäten – wie ehrenwert sie für sich genommen auch waren – als Tarnung für die eigentliche Arbeit der Kanzlei: einer Handvoll namhafter und reicher Araber zu Diensten zu sein.
    Diese arabischen Klienten verhandelten ausschließlich mit Hatton, und in vielen Fällen war er der Einzige in der Firma, der die wirklichen Namen der Leute kannte, die zu vertreten sich alle so fleißig bemühten. Hatton delegierte die Arbeit persönlich und sammelte die Ergebnisse wieder ein. Er hatte ein System entwickelt, das dem der CIA nicht unähnlich war, da es alle persönlichen Klienten durch Pseudonyme schützte. Er wählte einfache walisische oder englische Namen wie Smith und Jones, warf gelegentlich einen spanischen oder japanischen Namen ein, um noch mehr Verwirrung zu stiften. Aber das System funktionierte reibungslos. Ein Juniorpartner würde zum Beispiel die Anweisung bekommen zu recherchieren, welche steuerlichen Konsequenzen der Erwerb von tausend Morgen Farmland im ländlichen Virginia für einen ausländischen Klienten namens Hubert J. Smith haben würde. Das Dokument würde erstellt, und die Firma würde den Kauf tätigen, indem sie dafür eine ihrer vielen Strohfirmen benutzte. Der eigentliche Käufer des Farmlandes lebte wahrscheinlich in

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