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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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philippinischen «Klienten» gemacht und war frustriert, weil er keine Möglichkeit hatte, ihn zu kontaktieren. «Von wem?»
    «Von Mr. Ramón Pinta.»
    «Wunderbar», rief Sam aus. «Ich hoffe schon seit einiger Zeit von ihm zu hören. Wie geht’s ihm?»
    Der Diplomat fuhr mit seinem Script fort. «Sie haben für ihn gearbeitet, ist das richtig?»
    «Richtig. Ich habe versucht, ihm zu helfen. Seine Frau ist gestorben, und er schien niemanden zu haben, an den er sich sonst wenden konnte. Ist alles in Ordnung mit ihm?»
    «Ja. Bestens. Mr. Pinta ist gestern auf die Philippinen zurückgekehrt, zu seiner Familie.»
    «Oh», sagte Hoffman misstrauisch. «Das ist schön.»
    «Vor seiner Abreise hat Mr. Pinta uns von der Botschaft gebeten, Ihnen etwas auszurichten. Deshalb mein Anruf.»
    «Gut. Und was?»
    «Wir sollen Ihnen ausrichten, er kehre in seine Heimat zurück, und deswegen möchte er nicht, dass Sie die Angelegenheit weiterverfolgen, die er mit Ihnen besprochen hat. Sie möchten bitte Ihre Ermittlungen einstellen. Er hat gesagt, Sie wüssten schon, was er damit meine.»
    «Aha», sagte Hoffman ruhig. «Danke für Ihren Anruf.»
    Als er aufgelegt hatte, hämmerte Hoffman mit der Faust so heftig auf seinen Schreibtisch, dass seine Hand schmerzte. Er wusste ganz genau, was dieser Anruf bedeutete: Ramón Pinta, der kleine Mann mit den schlechten Zähnen, war tot.

10
    Die Straße begann sich um halb sechs zu füllen, als die Büros an der Knightsbridge ihre Tagesgefangenen ausspuckten. Sam Hoffman setzte sich ans Fenster und starrte zu Hammuds Gebäude auf der anderen Straßenseite hinüber. Im späten Nachmittagslicht sah die Fassade beinahe rosa aus. Er zählte fünf Stockwerke hoch und ließ seinen Blick die Fenster entlangschweifen. In den meisten Büros wurde noch gearbeitet. Die Jalousien waren allerdings überall heruntergezogen, sodass man nicht hineinsehen konnte. Das große Eckbüro des Gebäudes war dunkel. Es war wie ein makabres Sparschwein: mit Geld vollgestopft, aber gut verschlossen für jedermann. Lina Alwan war da drinnen. Er wollte sie rausholen.
    Eine junge Frau setzte sich neben Hoffman. Sie hatte einen kurzen Rock und ein Top an, und auf dem Kopf trug sie eine seitlich aufgesetzte Baseball-Mütze. Von ihren Ohren hingen zwei Kondome, die zu Ohrringen umgeformt waren. Sie bat Hoffman um Feuer mit einem Akzent, der unverwechselbar amerikanisch war. Hoffman gab ihr Feuer und starrte wieder aus dem Fenster, bis sie ging. Ihr Platz wurde einige Minuten später von einem jungen Mann im geschniegelten Doppelreiher eingenommen, dem Akzent nach zu urteilen Schotte. Er bestellte sich ein Bier und begann dann sofort, seine Kumpel abzutelefonieren und damit zu prahlen, wie viel Geld er in der Großstadt machte. Er war entweder Dealer oder Wertpapierhändler, es war schwer zu sagen. Schließlich bemerkte er die Amerikanerin in dem Top, die jetzt an der Bar lehnte, und ging hinüber, um sie anzusprechen. Hoffman kam sich alt vor. Er empfand Missbilligung.
    Draußen auf der Straße gab es einen Moment der Aufregung, als ein Polizeiwagen plötzlich aus seiner Spur ausscherte und die Knightsbridge mit heulender Sirene Richtung Harrods hinunterraste. Hoffman dachte sofort an eine Bombendrohung, aber das Sirenengeräusch verebbte rasch in den Höhlen von Belgravia.
    Ein paar Minuten nach sechs gingen in den Büros im fünften Stock nacheinander die Lichter aus. Die Leute mussten jetzt aus dem Gebäude kommen. Hoffman hatte Angst, Lina zu verpassen, deshalb ging er an die Tür des Pubs. Gleich draußen vor dem Eingang stand ein Motorradkurier, seinen Helm in den Händen, der die letzten Strahlen der Nachmittagssonne einfing. Er hatte strohblondes Haar und sah wie ein motorisierter Wikinger aus. Der Bote wandte sich ab, als Hoffman seinem Blick begegnete. Er ging zu seiner riesigen Honda und raste davon.
    Hoffman hätte sie beinahe nicht gesehen, so schnell glitt Lina zur Tür hinaus, und so geschickt verstand sie es, in der Menge unterzutauchen. Nur durch den schwarzen Haarschopf und ihr markantes Profil stach sie aus der Menge der Fußgänger heraus. Er verlor sie vorübergehend aus den Augen, dann sah er sie wiederauftauchen, als sie an einer Ecke stehen blieb und darauf wartete, die Straße überqueren zu können. Hoffman hielt es für unklug, sich jetzt schon zu zeigen – sie waren ihrem Büro noch zu nah –, und so folgte er ihr in einem Abstand von dreißig Metern, bis sie im Park waren und die

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