Blutgeld
viele Leute diese Geschichte gehört haben. Sie kann nicht stimmen. Man kann keinen heimlichen Haufen Geld besitzen, über den alle Bescheid wissen. So funktioniert die Welt nicht.»
«Wo kommt also das Geld her, wenn nicht von den Ölprovisionen?»
«Ich werde Ihnen sagen, was ich glaube. Aber nur, weil ich Ihren Vater bewundere.»
«Sagen Sie’s mir.»
«Vor zehn Jahren hat der Irak mit Frankreich ein Geschäft über den Kauf von Kampfflugzeugen abgeschlossen. Es war ein Zwei-Milliarden-Dollar-Auftrag. Es wurde ein Vertrag unterzeichnet. Aber der Irak führte damals Krieg gegen den Iran, und es gab ein Waffenembargo, und die Kampfflugzeuge wurden nie geliefert.»
«Stimmt. Ich erinnere mich, es stand in der Zeitung.»
«Aber möglicherweise hat der Irak schon bei Vertragsunterzeichnung den gesamten Betrag für die Kampfflugzeuge bezahlt. Können Sie mir folgen? Und dieses Geld wurde möglicherweise auf ein Schweizer Nummernkonto eingezahlt, wo es bleiben sollte, bis die Kampfflugzeuge geliefert werden könnten.»
«Und was ist passiert, als der Krieg zu Ende war?»
«Puff! Das Geld war weg. Zumindest wird diese Meinung von einer bestimmten Schule vertreten. Zwei Milliarden Dollar, einfach weg. Und was glauben Sie, wer der Vermittler bei diesem fraglichen Geschäft mit Frankreich war?»
«Nassir Hammud?»
«Ganz genau.» Barakat sah auf seine Uhr. Das viele Reden hatte ihn ermüdet.
«Wer könnte sonst noch etwas über Coyote wissen? Können Sie mir irgendwelche Tipps geben?»
«Genug Fragen für heute, mein neugieriger Freund. Sie müssen jetzt gehen.»
«Bitte. Geben Sie mir eine Starthilfe.»
Barakat seufzte. «Es gibt einen Mann in London, der eine Menge Geschäfte mit Hammud macht. Ich glaube, sie sind Partner in einem Petrochemie-Geschäft. Er ist Saudi. Aber er würde nie mit Ihnen reden.» Er erhob sich von seinem Schreibtisch und begann, Hoffman zur Tür zu lotsen.
«Wie heißt er?»
«Hören Sie auf», sagte Barakat. «Sie winseln ja schon. Das ist hässlich.»
Hoffman stand jetzt im Flur draußen vor Barakats Büro. Er wusste, dass er inzwischen selbst die großzügigsten Normen arabischer Gastfreundschaft strapazierte, aber ihm blieb keine Wahl. Er brauchte die Information. «Wie heißt er?», wiederholte Hoffman.
«Prinz Jalal bin Abdel-Rahman», sagte Barakat. Er schüttelte den Kopf, seufzte wie ein erschöpfter Lehrer und schloss dann die Tür.
Während er da allein im Flur stand, verspürte Hoffman eine Art Höhenschwindel, als befände er sich plötzlich im freien Fall, als stürze er aus der Gegenwart zurück in die Vergangenheit. Der Name, den Barakat erwähnt hatte, war ihm sehr vertraut. Derselbe Mann war einmal ein Kunde gewesen – fast ein Freund –, bis er mit einer Bitte an ihn herangetreten war, die derart empörend und doch so normal war, dass Sam zu dem Schluss kam, als Banker nicht weitermachen zu können. Wenn es überhaupt einen Menschen gab, der für Sam Hoffmans Ausstieg aus seinem damaligen Beruf verantwortlich gemacht werden konnte, dann war das Prinz Jalal. Es gab niemanden auf dem ganzen Planeten, den er weniger wiedersehen wollte als ihn.
Und das Schlimmste war, dass Barakat sich irrte. Jalal würde liebend gerne mit Sam Hoffman reden, wenn auch nur, um ihm zu beweisen, dass er recht hatte.
9
In jener Woche traf per Kurier ein Päckchen aus London im Washingtoner Rechtsanwaltsbüro von Hatton, Marola & Dubin ein. Es war eins von mehreren Dutzend Päckchen, die an diesem Tag ankamen, aber dieses wurde mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt. Der mutmaßliche Empfänger, Arthur T. Peabody, obwohl als Firmenpartner ausgewiesen, existierte in Wirklichkeit nicht. Der Name war ein Pseudonym für den Seniorpartner, Robert Z. Hatton, das für vertrauliche Mitteilungen benutzt wurde. Sämtliche Post, die an Mr. Peabody adressiert war, wurde umgehend vom Chef der Postabteilung aussortiert und in Mr. Hattons Büro im obersten Stock des Gebäudes abgegeben.
Hattons Büro lag über dem als Farragut Square bekannten spärlichen Grasflecken mitten im Geschäftsviertel. Die Firma hatte beschlossen, an diesem ehrwürdigen Platz zu bleiben – obwohl die meisten anderen großen Kanzleien nach Osten gezogen waren, in die «neuen Viertel» Pennsylvania Avenue oder ins West End –, damit Mr. Hatton in der Nähe seines geliebten Athenian Club bleiben konnte, wo er gerne Squash spielte. Sein Büro hatte eine Besonderheit: Es war das Fehlen jeglicher persönlicher
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