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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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drastischere Maßnahmen ergreifen. Als Lina schließlich ihre Wohnung im Landsdowne Walk erreichte, ging sie direkt in ihr Zimmer und öffnete ihren Schmuckkasten. Wie jeder Frau des Orients hatte man ihr als Mädchen gesagt, dass es eine besondere Möglichkeit gab, sich vor dem Bösen Blick zu schützen, und zwar indem man einen Türkis trug, was für
Al Ain
so viel bedeutete wie das Kreuz gegen einen Vampir.
Feyrouz
hieß der Stein auf Arabisch, und es war kein Zufall, dass dies auch der Name war, den die beliebteste Schlagersängerin der arabischen Welt angenommen hatte; eine Sängerin, die von den Dörfern der Vorväter, von verlorener Unschuld und unglücklicher Liebe sang. Lina hatte über den albernen Aberglauben oft genug gelacht. Aber jetzt nahm sie eine Türkisbrosche aus ihrem Schmuckkasten und steckte sie sich an ihre Seidenbluse. Sie fühlte sich gleich besser.
     
    Lina schaltete den Fernseher ein, in der Hoffnung, das würde sie zerstreuen, aber sie fühlte sich nur noch einsamer. Es liefen nur alberne Shows mit dem Geräusch von hohlem Gelächter, das im Hintergrund hallte, während die Leute unkomische Dinge zueinander sagten. Sie öffnete eine Dose Suppe, merkte dann aber, dass sie gar keinen Hunger hatte, und schüttete sie in den Ausguss. Sie wählte die Nummer ihrer Freundin von der Universität, Helen Copaken in Blackheath, aber es nahm niemand ab. Sie ging in ihrem kleinen Wohnzimmer auf und ab. Das Poster mit dem Ishtar-Tor hing düster an der Wand und kam ihr jetzt wie der Eingang zu einem Gefängnis vor.
    Sie wanderte in ihr Schlafzimmer und holte aus dem Wandschrank das Bild ihres bisher einzigen ernsthaften Freundes, das sie heute nur noch ansah, wenn es ihr sehr schlechtging. Er war der Mann, den ihr Vater gerne als seinen Schwiegersohn gesehen hätte, ein Exil-Iraker aus einer sogar noch aristokratischeren Familie als der ihren, der seinen Wurzeln derart vollständig entfremdet war, dass er nicht einmal mehr Arabisch lesen oder schreiben konnte. Er übte sich im Aufstand gegen die Familie und schleppte Lina in Reggae-Bars und auf Partys, wo die Leute Kokain schnupften. Ein Jahr lang hatte er sie gedrängt, endlich mit ihm zu schlafen. Als Lina schließlich nachgab und sich leidenschaftlich mit ihm liebte, in der Hoffnung, dieser Preis würde sein kaltes Herz erwärmen, hatte er schnell das Interesse verloren. Es stellte sich heraus, dass er genau wie alle anderen arabischen Männer war: Er wollte eine Jungfrau heiraten. Sie tat das Foto in den Wandschrank zurück und legte sich eine Weile aufs Bett. Schließlich, nachdem sie sich ausgezogen und gleich wieder angezogen hatte, beschloss sie, dass sie lieber ihre Freundin Randa Aziz anrufen sollte.
    «Shaku maku»
, sagte Lina in die Sprechmuschel und versuchte, fröhlich zu klingen. Es war ein irakischer Slangausdruck, der ungefähr «Was läuft so?» bedeutete.
    «Was war denn mit dir nach der Arbeit los,
habibti
? Ich dachte, wir waren in der New Bond Street verabredet, um zusammen einkaufen zu gehen.»
    Lina stöhnte. Das hatte sie völlig vergessen. «Das tut mir leid. Ich hab zu tun gehabt und habe völlig die Zeit vergessen.» Ihr Herz raste auf einmal wieder, und sie hatte Mühe, die Worte herauszubekommen.
    «Zu tun? Mit wem?»
    «Mit niemand. Ich möchte nicht drüber reden.»
    «Ho-ho. Wer ist es?»
    «Nichts. Vergiss es. Er bringt Unglück. Und ich auch.»
    «He, ist alles in Ordnung? Du klingst ein bisschen komisch.»
    «Mir geht’s gut. Nur müde.»
    «Pass gut auf dich auf, Mädchen.»
    «Hör mal, Randa, was machst du heute Abend? Könnte ich vorbeikommen?»
    «Denke schon. Tony ist da. Wir wollten gerade essen.»
    «Natürlich. Das mit Tony hatte ich ganz vergessen. Dann machen wir’s ein anderes Mal.» Tony Hashem war Randas wohlhabender neuer Freund. Lina versuchte, fröhlich zu klingen, aber die Enttäuschung in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
    «Moment mal. Wie wär’s, wenn du etwa in einer Stunde kommst, okay? Ich wollte Tony nach dem Essen die Zukunft lesen. Dann lese ich deine auch gleich. Wir machen eine Party.»
    «Nein, du bist beschäftigt. Ihr beide wollt sicher allein sein. Ein anderes Mal.»
    «Komm! Ich bestehe darauf. Ich brauche Publikum. Und es kommt mir so vor, als brauchtest du Gesellschaft.»
    «Ich kann allerdings welche gebrauchen. Ich fühle mich ein bisschen sonderbar.»
    «Also dann bis zehn», sagte Randa. «Bring uns eine Flasche Wein mit, und ich werde auf ewig deine Freundin

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