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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Küche und stellte einen Kupferkessel auf den Herd. Sie ließ den Kaffee einmal aufkochen, dann noch einmal, dann ein drittes Mal, und dann goss sie das zähflüssige schwarze Gebräu in drei kleine Tassen. Sie stellte sie zusammen mit ein paar arabischen Süßigkeiten auf ein Tablett und trug es ins Wohnzimmer.
    «Trinkt euren Kaffee», sagte sie. «Dann lese ich euch die Zukunft.»
    Die drei machten sich über ihre kleinen Tassen her, schlürften den dicken schwarzen Schaum von oben ab, ließen ihn sich genüsslich die Kehle hinunterrinnen, bis nur noch der schwerere Satz auf dem Tassenboden zurückblieb. Tony zündete sich und Randa eine Zigarette an und hielt dann Lina die Packung hin.
    «Nein, danke», sagte Lina. «Ich versuch’s mir gerade abzugewöhnen.»
    «Seit wann?», sagte Randa. «Du musst ja wirklich irgendwelche Sorgen haben. Dem Bösen Blick ist es egal, ob du rauchst. Glaub mir. Nimm ruhig eine Zigarette. Es wird dich beruhigen.»
    «Na gut», sagte Lina und nahm sich eine Zigarette aus der Packung.
    Tony hatte seinen Kaffee zuerst ausgetrunken. Auf dem Tassenboden blieb eine dunkle Lache Satz zurück. Er stellte die Tasse auf ihrer Untertasse auf den Kopf und wartete, bis der Satz zu dem Muster antrocknete, das, wenn es gelesen wurde, seine Zukunft darstellte.
    «Du auch», forderte Randa Lina mit einem Nicken auf.
    «Heute nicht», sagte Lina. «Ich bin nicht in der Stimmung.»
    «Ach komm», sagte Randa. «Du brauchst ein paar gute Neuigkeiten, das merke ich doch. Heute Abend gibt’s für jeden eine glückliche Nachricht. Der Böse Blick ist weit weg.» Lina gab nach und kippte ihre Tasse um.
    Als Tonys Kaffeesatz getrocknet war, hob Randa die Tasse auf und hielt sie ans Licht. Sie wendete sie langsam hin und her, betrachtete den ganzen Rand, dann lächelte sie Tony zu. Ein Normalsterblicher hätte in der Tasse nichts anderes als getrockneten Kaffeesatz gesehen, zu einem willkürlichen Muster erstarrt. Aber in Randas geschickter Hand enthielt die Tasse das ganze Universum.
    «Ich sehe einen Pfau», sagte sie, auf einen verschmierten Klecks deutend. «Ein großer Pfau. Das ist sehr gut. Das bedeutet, dass du ein stolzer Mann bist, stolz auf dich. Stolz auf deinen Körper.» Sie zwinkerte ihm zu und fuhr fort.
    «Dann sehe ich einen Fisch. Das ist auch sehr gut. Das bedeutet Glück. Siehst du hier diesen kleinen Schnörkel? Das ist der Fisch. Er bedeutet Glück, und es wird dir Gutes geschehen. Und du bist stolz, aber nicht zu stolz. Dann sehe ich weite, offene Flächen.» Sie zeigte auf einen Teil der Tasse, wo sich nichts von der schwarzen Lava ausgebreitet hatte. «Das ist sehr gut. Probleme sind von dir weit entfernt. Du bist entspannt und hast keine Sorgen.»
    «Ich muss nicht mehr zum Militär!», sagte Tony.
    «Ja. Vielleicht bedeutet es das.»
    «Hervorragend!»
    «So, nach den weiten offenen Flächen sehe ich einen Turm des Ruhms! Das ist sehr wichtig.» Sie deutete auf einen langen Tropfen von Kaffeesatz, der bis zum Rand der Tasse geflossen war. «Siehst du den Turm des Ruhms? Das bedeutet, dass du bald etwas Großes erreichen wirst. Vielleicht wirst du eine Menge Geld machen. Ja, das ist es wahrscheinlich. Eine Menge Geld.»
    «Ya salaam!»
, sagte Tony lächelnd. «Warum nicht?»
    «Und dann», sie strahlte jetzt, «du wirst es nicht glauben, aber das ist, was ich sehe, hier in dieser Tasse. Ich sehe eine Braut.» Sie zeigte auf einen letzten schwarzen Fleck getrockneten Kaffees. «Ja. Es ist eine Braut. Siehst du den Schleier und das Gesicht? Da ist die Nase und das Kinn. Siehst du’s? Das bedeutet, dass du bald heiraten wirst.»
    «Und wer wird es sein? Ist sie schön?»
    «O ja», sagte Randa. «Sehr schön. Und sehr sexy.»
    Tony gab ihr einen feuchten Kuss auf den Mund. Lina fragte sich, ob die beiden auf der Couch gleich wieder anfangen würden, aber Randa befreite sich und wandte sich jetzt ihrer Freundin zu. Sie hatte noch zu arbeiten.
    «Jetzt bist du dran», sagte sie und nahm Linas Tasse. Sie hielt sie ans Licht und runzelte die Stirn. Sie drehte sie um 180Grad, betrachtete sie genauer und runzelte wieder die Stirn. «Das muss meine Tasse sein», sagte sie.
    «Nein», sagte Lina. «Das ist meine. Was ist los?»
    «Nichts. Es ist nur seltsam, weiter nichts.»
    «Lies sie.»
    «Vielleicht später. Trinken wir erst noch ein Glas Wein.»
    «Lies sie!», wiederholte Lina.
    «Okay.» Sie atmete tief durch. «Also, siehst du all diese Punkte?» Sie zeigte auf einen Teil der

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