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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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einen aus, und dann spring ich mit ihnen ab, damit ich zugucken kann.»
    Hoffman schloss die Augen. Dieses neueste Spiel zeigte Jalal in seiner Hochform. Einige Jahre zuvor hatte er in Saudi-Arabien eine Jagd veranstaltet, bei der die Beute kein Fuchs, sondern ein Mann aus Somalia war. Das war auch auf Video aufgenommen worden. Hoffman hatte es sich ansehen müssen, bei einem seiner letzten Besuche vor dem Bruch. Es war schwierig, das Gefühl zu beschreiben, das Hoffman hatte, wenn er in Gegenwart eines Menschen war, der alles kaufen konnte. Diese Prinzen der Wüste genossen alltäglich das, wovon normale Männer nur träumen konnten: die schönsten Frauen, die reinsten Drogen, die erlesensten Speisen. Was blieb da noch als Nervenkitzel? Nur noch die Pornographie des Schmerzes. Jede dekadente Gesellschaft schaffte sich etwas Ähnliches. Die Römer hatten ihre Löwengruben und Gladiatorenkämpfe. Die Europäer des Mittelalters hatten ihre öffentlichen Hinrichtungen und Zerstückelungen. Die einzige Neuheit gegenüber früher bestand heute darin, dass man solche Dinge zum späteren Vergnügen auf Video aufzeichnen konnte.
    «Los geht’s», sagte Jalal. «Sieh dir das an!» Der Film zeigte einen Mann, die Angst ins Gesicht geschrieben, der in der offenen Kabine eines kleinen Flugzeugs stand und auf sechs Päckchen starrte, die auf dem Boden ausgelegt waren.
    «Schau her, dieser Bursche heißt Bill, glaube ich. Guck mal, wie er die Fallschirme aufhebt. Er sieht so nervös aus! Er hebt einen hoch, dann einen anderen, wiegt sie. So ein Dummkopf! Natürlich wiegen sie alle das Gleiche. Sieh dir sein Gesicht an, was er für eine Angst hat, aber er will auch das Geld haben, also spielt er mit. Jetzt probiert er einen der Fallschirme. Nein, es fühlt sich nicht richtig an. Probiert einen anderen aus. Dieser fühlt sich gut an. Ja. Okay. Jetzt sage ich ihm, dass es Zeit ist. Das ist meine Hand, die da winkt. Die Tür ist offen, und wir gehen bis zum Rand. Da, der Himmel und ganz weit unten die Erde. Sieh dir sein Gesicht an! Er hat so einen Schiss! Siehst du? Jetzt springen wir gleich. Er macht die Augen zu. Ha! Er betet. Jetzt springt er, und ich folge ihm mit meiner Kamera. Ich hole zu ihm auf, und jetzt sind wir auf gleicher Höhe, sodass du sein Gesicht sehen kannst. Wie hieß er doch gleich? Bill. Ich gebe ihm das Signal. Jetzt pass auf. Schau, wie er die Leine zieht. Er wartet darauf. Wo bleibt der Fallschirm? Da, jetzt zieht er wieder an der Leine. Wo ist der Fallschirm? Siehst du das Entsetzen auf seinem Gesicht? Es tut sich nichts! Er hat schreckliche Angst. Guck, wie er mit seinen kleinen Beinen in der Luft herumstrampelt, wie ein Käfer! Er will weglaufen. Hier sein Gesicht in Nahaufnahme. Siehst du, wie er den Mund aufreißt? Er schreit, aber niemand hört ihn. Und jetzt grabscht er nach mir. Schau, wie er mit den Armen rudert. Er erträgt es nicht, nach unten zu sehen, der Erdboden kommt so schnell entgegen. Siehst du? Was er für eine Angst hat?»
    Die Erregung in Jalals Stimme erreichte plötzlich einen Höhepunkt und sank dann wieder auf einen normalen Ton. «Na ja. Das war der spannende Teil. Jetzt spürt Bill einen Ruck, und plötzlich wird er langsamer. Er kann’s gar nicht fassen! Der Fallschirm öffnet sich. Er lebt! Er wird doch nicht sterben. Ich hab ihn nämlich reingelegt. Das ist mein Spiel! Alle sechs Fallschirme sind in Ordnung, alle! Aber sie sind alle mit einem Zeitverzögerer ausgestattet, sodass jeder, der mein Spiel spielt, denkt, dass er den Fallschirm ausgesucht hat, der sich nicht öffnet. Genial, nicht? Wie Safer Sex. Man hat den ganzen Spaß, aber es kommt niemand zu Schaden.»
    Die Leinwand wurde dunkel, und die Lichter gingen wieder an. Hoffman rieb sich die Augen.
    «Wie findest du’s?», fragte der Prinz mit einer Handbewegung zur Leinwand.
    «Ich?» Hoffman überlegte einen Moment. «Ich finde, du hast inzwischen völlig den Verstand verloren.»
    «Wirklich?» Der Prinz lächelte. Er fasste das offensichtlich als Kompliment auf. «Mein lieber Sam, es ist so gut, dich wiederzusehen. Du bist so ehrlich.»
    Sam versuchte immer noch, aus dem, was er gerade gesehen hatte, klug zu werden. «Hast du Bill das Geld bezahlt?»
    «Natürlich», sagte Jalal. «Was ist schon Geld im Vergleich zu so einer Show?»
    Hoffman holte tief Luft. Was ihm bei Jalal am meisten Angst machte, war, wie leicht es war, in die gleiche Kameraderie wie früher zu verfallen. Kein Wunder, dass Jalal überrascht

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