Blutgeld
Herrscher Geld stehlen würde. Stellen Sie sich das vor! Das sind absurde Lügen, die von Ignoranten erzählt werden. Und von Juden.»
«Von Juden?» Sie rutschte unbehaglich hin und her.
«Ja, Juden. Und wissen Sie, was ich mit diesen Lügnern mache?»
Lina schüttelte den Kopf. «Nein.»
«Ich schneide ihnen die Zunge heraus!»
Lina schluckte. War das ein Witz? Sie spürte, wie ihre eigene Zunge, trocken wie ein Stein, gegen ihren Gaumen gepresst war.
«Haben Sie jemals die Geschichte über den Journalisten Salim Hourani gehört? Nein? Ich werde sie Ihnen erzählen. Er schrieb in seiner Zeitschrift die schrecklichsten Dinge über den Herrscher. Eines Tages wurde er in Beirut am Straßenrand gefunden, an der Straße, die zum Flughafen führt. Ich glaube, seine Finger waren alle abgeschnitten, die, mit denen er seine Geschichte getippt hatte. Und seine Zunge war auch herausgeschnitten worden. Das hat man mir jedenfalls gesagt. Ich weiß nicht, ob es stimmt.» Er machte eine wegwerfende Handbewegung.
Linas Finger hatten sich beim Zuhören zu starren Krallen verkrampft, und in ihrem Hals pulsierte es, sodass ihr Kopf leicht zitterte. Hammud sah ihre Angst und lächelte. Es funktionierte.
«Aber wir sind hier in England», sagte er hinterlistig. «Wenn ein Geschäftsmann versucht, Gerüchte zu verbreiten, lasse ich das von meinen Anwälten verhindern. Wenn die versuchen, ihre Politiker einzusetzen, dann setze ich meine ein, und meine sind stärker. All diese Dinge gehören zum normalen Geschäftsleben. Verstehen Sie?»
«Ja, Sir.»
«Aber was sich innerhalb dieser Wände befindet, ist kein Geschäft. Es ist eine Familie. Und was ich nie, unter keinen Umständen, zulassen werde, ist, dass sich ein Mitglied meiner Familie illoyal verhält. Das wäre wie der Verrat eines Sohnes oder einer Tochter am Vater. Verstehen Sie mich?»
«Ja», sagte Lina. Auf ihrer Stirn und ihren Handflächen bildeten sich Schweißtropfen.
«Das kann ich nicht hinnehmen. Niemals.»
«Nein, Sir.» Sie hatte Mühe, die Fassung zu bewahren, aber sie war entschlossen, sich ihrer Angst nicht zu beugen, denn das hätte Hammud nur noch mehr Macht über sie gegeben.
«Da ist noch eine Sache», sagte er in einem Tonfall, noch kälter als vorher. «Ich habe für Sie eine Nachricht aus Bagdad.»
«Was ist es?», fragte Lina. Aber etwas in seinem Tonfall verriet ihr die Antwort, bevor er sie aussprach. Sie sah vor ihrem geistigen Auge das Bild einer unverheirateten arabischen Frau Ende fünfzig, mit grauen Haaren und von Sorgen gezeichneten Augen, die sich in all den Jahren des Schreckens an Linas Bücher aus Paris und die Briefe aus London geklammert hatte – geklammert an die Vorstellung von dem zivilisierten Leben, das sie für sie verkörperten.
«Leider eine traurige Nachricht», fuhr Hammud fort. «Es geht um Ihre Tante Soha. Sie ist tot.» Er wartete darauf, dass Lina in Tränen ausbrach, aber sie saß einfach stumm da und nahm die Nachricht auf. Ihre Pupillen hatten sich zu winzigen Punkten verengt, die Hammud so durchdringend anstarrten, als könnten sie ein Loch in ihn hineinbrennen.
«Was war die Ursache ihres Todes?», fragte Lina. Da war eine Stille in ihrer Stimme, von Trauer und von etwas anderem.
«Todesursache unbekannt.» Er sagte das fast mit einem Grinsen.
«Ist sie beerdigt worden?»
«Nein. Die Leiche wurde zur Beseitigung im Innenministerium behalten, glaube ich.»
«Wieso war sie da?»
«Weil Ihre Tante Soha unter Beobachtung stand. Es gab anscheinend ein Sicherheitsproblem.» Er ließ den Satz in der Luft sterben, womit er alles andeutete, aber nichts sagte. Wieder wartete er auf ihre Tränen, aber ihre Augen blieben trocken.
«Wieso?»
«Sie hat die Vorschriften missachtet. Sie hat versucht, ohne Erlaubnis Briefe ins Ausland zu schicken.» Er zog ein Bündel Briefe aus der Jackentasche und wedelte damit vor Linas Gesicht herum. «Sie waren alle an Sie gerichtet, glaube ich.»
Lina erkannte Sohas makellose Handschrift auf dem Umschlag. «Kann ich sie haben?», fragte sie.
«Nein», sagte er kalt. Er holte ein goldenes Feuerzeug aus der Tasche, knipste es an und hielt die Flamme an das Bündel Briefe. Als sie Feuer fingen, trat ein perverser Ausdruck der Freude auf sein Gesicht, als zerging ihm diese Grausamkeit wie Schokolade im Mund. Er ließ die brennenden Briefe in einen Aschenbecher auf seinem Schreibtisch fallen. Einige Sekunden später waren sie nur noch Asche.
Lina senkte den Kopf, was Hammud als
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