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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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verschaffen, aber auch das ging nicht. Das alte Passwort war geändert worden. Sie vermutete, dass sie trotzdem ins System hineinkommen konnte, wenn es unbedingt sein musste. Aber ihr war rätselhaft, warum man sie auf einmal ins elektronische Exil geschickt hatte. Wieso hatte Hammud solche Angst? Was hätte sie entdecken können? Was wusste sie schon alles seiner Meinung nach?
     
    Sie stattete Yussef einen Besuch ab, dem jungen Iraker, der ihr immer nachgestellt hatte und der an diesem Morgen dazu ernannt worden war, ihren Posten als Überwacher der EDV -Gruppe einzunehmen. Sie schätzte, er sei leichte Beute. Als sie die Buchhaltung betrat, taten ihre alten Bürokolleginnen so, als hätten sie zu tun, oder blickten zu Boden. Man kannte sie offenbar nicht mehr. Lina steckte den Kopf zu Yussefs Tür herein und sagte hallo. Statt des übereifrigen Jungen, den sie in Erinnerung hatte, sah sie, wie sich jetzt der junge Iraker bei ihrem Anblick vor Verlegenheit wand.
    «Ich habe die Zugangsberechtigung zum System verloren», sagte sie mit süßer Stimme. «Da muss irgendein Fehler vorliegen. Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht helfen.»
    Yussef schüttelte den Kopf. Er sah verängstigt aus. «Tut mir sehr leid», sagte er. «Anweisung von Professor Sarkis.»
    «Hat er gesagt, warum?»
    «Nein.» Yussef sah auf seine Uhr. Er wollte, dass sie ging.
    «Es ist nur, weil ich noch ein paar persönliche Dateien im System habe. Adressen und Telefonnummern und solche Sachen. Ich dachte, dass Sie mir da vielleicht helfen könnten.»
    Yussef schüttelte wieder heftig den Kopf. «Das müssen Sie mit Professor Sarkis klären. Ich bin dazu nicht berechtigt.»
    «Es dauert nur ein paar Minuten. Sie können neben mir sitzen.»
    «Reden Sie mit Professor Sarkis. Tut mir leid.»
    Lina nickte. «Na gut. Dann werde ich wohl mit Professor Sarkis sprechen müssen. Ist er da?»
    «Nein.» Der junge Iraker schüttelte den Kopf. Ihm schien zunehmend unwohler dabei zu werden, mit Lina zu reden.
    «Wo ist er?»
    «Er hat heute Morgen London verlassen. Er kommt in ein paar Tagen wieder.»
    Lina verließ der Mut. «Wo ist er hingefahren?», fragte sie. Aber sie wusste die Antwort, noch bevor der junge Iraker das Wort sagte.
    «Bagdad.»
    Lina nickte. Nach Bagdad wurden die Leute zum Verhör gebracht. Vielleicht hatte man Professor Sarkis in Verdacht, gemeinsame Sache mit Lina gemacht zu haben. Das geschähe ihm recht. Sie betrachtete Yussef, der vor Angst so nervös war, dass er kaum still sitzen konnte, und es kam ihr in den Sinn, dass sie die meiste Zeit wahrscheinlich genauso ausgesehen hatte, als sie diesen Job hatte. Wie groß war seine Angst?, fragte sie sich. Sie beugte sich zu seinem Schreibtisch vor.
    «Sagen Sie mal, Yussef, Sie wollten doch immer schon einmal mit mir essen gehen, oder?»
    Er nickte.
    «Nun, ich habe heute Abend noch nichts vor, und ich denke, das ist vielleicht ein guter Abend zum Ausgehen. Ich könnte Ihnen erklären, wie das System funktioniert, und Ihnen ein paar Sachen beibringen. Was sagen Sie dazu?»
    Er setzte eine schmerzerfüllte Miene auf. «Es tut mir leid. Es ist mir nicht möglich. Ich habe zu tun.»
    «Okay. Dann vielleicht morgen Abend.»
    «Nein. Unmöglich. Da habe ich auch zu tun. Zu viel zu tun.» Er rückte mit seinem Stuhl von ihr weg, als wollte er sich vor Ansteckung schützen. Er war wirklich erbärmlich. Der liebestolle Froschkönig von vor ein paar Tagen hatte sich in eine kastrierte Kröte verwandelt, die sich wand und duckte bei dem Gedanken, seine Herren könnten ihn mit einer der Unberührbaren sprechen sehen. Angewidert wandte Lina sich ab, um sein Büro zu verlassen, hielt aber noch einmal inne.
    «Wissen Sie, Yussef, Sie sind wirklich ein Arschloch.»
    Lina war sich nicht ganz sicher, warum sie das gesagt hatte, aber sowie die Worte ihren Mund verlassen hatten, fühlte sie Erleichterung. Sie sagte es noch einmal leise vor sich hin.
Arschloch.
    Als sie an der Aufzugzeile vorbeiging, die Coyotes Geheimabteilung von der öffentlichen trennte, fragte Lina sich, was sie als Nächstes tun sollte. Sie musste mit jemandem reden. Mit einem Verbündeten vielleicht. Aus Angst hatte sie neulich Sam Hoffmans Visitenkarte weggeworfen, aber als sie wieder in ihrem Büro war, schlug sie das Telefonbuch auf und suchte seinen Namen. Im Verzeichnis stand eine Adresse in der North Audley Street, gleich unterhalb der Oxford Street am Rande Mayfairs. Sie überlegte, ob sie anrufen sollte, um zu fragen, ob

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