Blutgeld
Taschentuch aus der Tasche und wischte damit etwas Eiter weg, der von dem zugeschwollenen Auge heruntergetropft war. «Nehmen Sie sich in Acht, Miss Lina», sagte er. «Diese Männer verstehen keinen Spaß.»
Lina nickte.
«Wir werden abwarten müssen, ob man Ihnen vertrauen kann. Ich würde Sie auf der Stelle nach Bagdad bringen lassen, wenn ich nicht Ihre Hilfe bei den Computern brauchte. Dieser Idiot Yussef kapiert das System nicht. Sie müssen ihm helfen. Sie ziehen also wieder in die Buchhaltung um, wo ich Sie im Auge behalten kann.»
«Heißt das, dass ich wieder meinen alten Posten zurückhabe?»
«Nur vorübergehend. Bis wir entschieden haben, ob Sie nicht doch noch, Sie wissen schon, eine Fortbildung benötigen.» Sarkis lehnte sich in seinem Sessel zurück, ein Zeichen dafür, dass das Gespräch beendet war.
Lina zögerte noch einen Moment. Sie dachte daran, was Hoffman gesagt hatte: warum sie nicht kündige? Wenn es irgendwann einen richtigen Zeitpunkt gab, die Firma zu verlassen, dann jetzt. «Professor Sarkis, bitte. Wenn Sie kein Vertrauen mehr in mich haben, dann ist es vielleicht das Beste, wenn ich die Firma verlasse.»
Der Armenier deutete mit einem dünnen Finger auf sie. «Kommt nicht in Frage! Sie bleiben, und Sie werden loyal sein. Ich habe sie im Guten gewarnt. Wenn Sie nicht auf mich hören wollen, dann werden Sie es mit diesen beiden Herren und ihren Freunden in Bagdad zu tun bekommen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.» Er machte eine kleine wedelnde Handbewegung, als scheuche er eine Fliege weg.
Lina ging mit unsicheren Beinen aus dem Raum. Sie hatte Angst, Hoffman zu besuchen, sogar Angst, nach Hause zu gehen. Sie suchte Randa, die das Büro schon verlassen hatte, und erreichte sie schließlich in ihrer Wohnung in Chelsea. Sie schlug vor, sich in einem indischen Restaurant zum Essen zu treffen, und Randa war zu ihrer Erleichterung einverstanden.
«Ich sollte dir das ja eigentlich nicht erzählen», sagte Randa, als sie das
dal
auf Linas Teller löffelte. «Aber sie haben mir gesagt, ich soll dich im Büro bespitzeln.»
Lina hielt inne, kurz bevor ein Löffel mit
raita
ihren Mund erreichte. «Wer?»
«Professor Sarkis und seine neuen Busenfreunde, heute Nachmittag. Deswegen habe ich früher mit der Arbeit Schluss gemacht. Mir war ganz komisch deswegen.»
«Und was hast du ihnen gesagt?»
«Dass ich es mache, ist doch klar. Ich bin doch nicht verrückt! Ich habe ihnen gesagt, ich würde dich genau im Auge behalten und aufpassen, dass du nichts Böses anstellst. Also tu nichts, was denen nicht gefällt. Und falls doch, dann so, dass ich es nicht mitkriege.»
«Randa! Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du mich bespitzeln würdest. Das ist ja schrecklich.»
Randa versuchte, zerknirscht auszusehen. «Ich weiß. Aber ich habe einfach Schiss gehabt. Und dann haben sie mir noch mehr Geld angeboten. Ich werde es sowieso nicht sehr lange machen.»
«Wieso nicht?»
«Weil ich glaube, dass Sarkis nicht mehr lange dabei sein wird.»
«Wieso meinst du das? Er hat sich heute ganz schön hart angehört. Und ich glaube, er hat einen Teil der Familie des Herrschers hinter sich.»
«Weil er ein Blödmann ist. Und diese beiden Pickelbübchen, die er da mitgebracht hat, sind jämmerlich, selbst für Bagdader Verhältnisse.»
Lina wusste nicht genau, warum, aber sie fand das Gespräch mit Randa beruhigend. Professor Sarkis würde versagen, weil er ein Blödmann war und weil seine Sicherheitsleute eine schlechte Haut hatten. Randa erklärte sich bereit, ihre beste Freundin zu bespitzeln, und erzählte ihr auch noch, dass sie es tun würde. Das war der Lauf der Welt. Auf dem Heimweg im Taxi spürte Lina, wie ihr inneres Gleichgewicht allmählich zurückkehrte. Der Herrscher war tot. Man würde nicht zulassen, dass irgendwelche zweitklassigen Sadisten in seine Fußstapfen des Terrors traten.
Die Herrschaft von Professor Sarkis erwies sich tatsächlich als sehr kurzlebig. Noch in derselben Nacht wurden auf Anordnung des Innenministers die Büroräume von Coyote Investment von der Polizei bewacht. Als Lina am nächsten Morgen zur Arbeit kam, überwachten zwei uniformierte britische Polizisten die Aufzugzeile im fünften Stock. Sie nickten höflich, und einer tippte sogar an den Helm. Die beiden irakischen Schläger, Hammadi und Alani, waren verschwunden. Lina wusste nicht, ob sie zu ihrem alten Büro im geheimen Teil gehen sollte oder zu ihrem neuen, und entschied sich
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