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Blutgeld

Blutgeld

Titel: Blutgeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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schließlich für das Letztere.
    Kurz vor zehn wurde Lina von Mr. Hammuds britischer Sekretärin benachrichtigt, dass in Mr. Hammuds Büro eine Versammlung sämtlicher irakischer Mitarbeiter stattfinde, sofort. Draußen im Flur sah Lina eine lange Schlange irakischer Angestellter wie Zombies in Richtung des Eckbüros gehen. Lina gehörte zu den Letzten, die sich in die Schlange einreihten. Unterwegs fiel ihr auf, dass die beiden Bobbys, die die Aufzüge bewacht hatten, verschwunden waren.
    Vor der schweren Tür zu Mr. Hammuds Büro wurde Lina von einem glatten jungen Sicherheitsmann in einem braunen Armani-Anzug angehalten. Er überprüfte die Personalien. Als er Linas Ausweis sah, rief er einen Kollegen herüber und besprach sich leise mit ihm auf Arabisch. Lina verstand nicht viel von dem, was sie sagten, aber ihrem Akzent nach zu urteilen, hörten sie sich wie Palästinenser an. Nach einer kurzen Diskussion ließen sie sie durch. Sie war eine der Letzten, die das Büro betraten, sodass sie einen Moment brauchte, um in der Menschentraube zu sehen, was sich vorne abspielte.
    Da stand, in gebieterischer Pose, hinter seinem Schreibtisch Nassir Hammud. Seine Haut hatte denselben Plastikglanz wie zuvor, aber in seinem Blick lagen Wut und Triumph, wie bei einem Boxer, der soeben seinen Gegner k.o. geschlagen hat. Lina suchte in der Menge nach Professor Sarkis, konnte ihn aber nicht entdecken. Die pickeligen irakischen Geheimpolizisten schienen auch verschwunden zu sein, aber stattdessen war eine Gruppe junger Männer um Mr. Hammuds Schreibtisch versammelt, einschließlich der beiden Palästinenser, die an der Tür gestanden hatten. Einige von ihnen schienen Maschinenpistolen unter ihren Jacken zu tragen, und einer sprach in das Mikrophon seines Funkgerätes in seinem Ärmel. Und noch etwas fiel Lina auf: Das alte Bild des Herrschers über dem Schreibtisch, das noch am Tag zuvor mit Schwarz drapiert war, war fort.
    Als alle vollzählig im Raum versammelt waren, ging die Tür zu, und Mr. Hammud ergriff das Wort. «Nun, meine Freunde. Habt ihr mich vermisst?»
    «Ja», erklang es im Chor. Jeder brüllte es, sogar Lina. Der ganze Raum schien von dieser falschen Begeisterung zu beben, zur Begrüßung des zurückgekehrten Führers. Irgendjemand fing sogar an, auf Arabisch zu skandieren: «Mit Blut und mit Tränen grüßen wir dich, o Nassir», so etwas Ähnliches, wie das, was sie immer für den Herrscher skandiert hatten. Hammud schnitt ihnen das Wort ab. Er hatte offenbar den Geschmack an derlei vulgären Darbietungen verloren.
    «Es ist gut, dass ihr mich vermisst habt, denn ich habe euch auch vermisst!» Er hob den rechten Arm in einer Geste, die wie ein Hitlergruß aussah. Lina sah, selbst von ihrem Platz ganz hinten im Raum, dass mit seiner Hand irgendwas nicht stimmte. Der Zeigefinger war nicht mehr da. Ein dicker weißer Verband war um den Stumpf gewickelt.
    «Jetzt, meine Freunde, kann der Betrieb weitergehen. Der Verräter ist weg.» Er fuchtelte mit dem, was einmal sein Zeigefinger gewesen war. «Der Lügner! Der Ungläubige! Der Armenier! Er wird nicht mehr bei uns sein. Er wurde von den britischen Behörden verhaftet – ja! –, weil er versucht hat, sich etwas zu nehmen, was ihm nicht gehört. Gestern Nacht noch, gleich nach meiner Rückkehr aus Bagdad, habe ich den Haftbefehl persönlich beantragt.
    Also, was passiert da gerade in unserer geliebten Heimat? Ich weiß, dass ihr euch das fragt, ich werde es euch also erklären. Es ist alles ruhig. Der Herrscher ist verschieden. Gott schenke seiner Seele Frieden. Kräfte des Volkes haben die Regierung übernommen. Abtrünnige Mitglieder der Herrscherfamilie haben nach seinem Tod versucht, die Macht an sich zu reißen, genau diejenigen, die den Hund Sarkis losgeschickt hatten, das Vermögen von Coyote Investment zu stehlen. Aber diese Verschwörung wurde niedergeschlagen. Sogar die Amerikaner haben die neue Regierung in Bagdad anerkannt. Gott sei gedankt.»
    Wieder ertönte ein zustimmendes Gemurmel, bis die palästinensischen Sicherheitsbeamten finstere Mienen machten, worauf die Menge wieder verstummte.
    «Und jetzt habe ich eine gute Nachricht. Für jeden loyalen Mitarbeiter wird es am Monatsende eine Prämie geben. Die kleinste dieser Prämien wird fünfhundert Pfund betragen!» Von der Menge kamen dankbare Rufe, wie die kriecherischen Laute – keine richtigen Worte –, die Bettler von sich geben, wenn ihnen jemand ein paar Münzen hinwirft. «Bedankt

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