Blutgesang (Nighthunter 2) Ein Vampir-Roman (German Edition)
Schwestern!
Daargon, der sich fürchtete, Maurice könne eigene Schritte gehen, befahl ihm, sich die Zunge herauszuschneiden. Maurice nahm ein Messer, zog seine Zunge aus dem Mund und säbelte sie ab. Der Schmerz war unvorstellbar, und weißes Blut sprudelte über seine Lippen. Er zögerte nicht, denn Morgos wollte es so, also gab es keine Widerrede. Es dauerte einen Monat, bis die Schmerzen vergingen und er begriff, dass er nie wieder reden würde. Vielmehr gurgelte er und kommunizierte mit Handzeichen. Morgos war zufrieden und tat alles, damit Maurice sich gut fühlte.
Es vergingen Jahrzehnte und stets war Maurice an Daargons Seite. Er erlebte, wie der Vampir an Stärke gewann und erlebte seinen Herrn in schwachen Stunden, in denen er gegen einen Fluch ankämpfte, den er von Lilou DeSoussa erhalten hatte – von Maurices Mutter!
Der Mächtige, wie er sich selbst nannte, machte kein Hehl aus seinem Hass gegen die Vier, die sich Nighthunter nannten. Und dieser Hass übertrug sich auf Maurice. Er vergaß, dass er Eltern gehabt hatte. Er verdrängte alles, was auch nur ansatzweise Liebe sein mochte. Und er kultivierte seinen Zorn darüber, dass sie ihm ihre Unsterblichkeit verheimlicht hatten, die er zwar wahrgenommen, aber nicht realisiert hatte.
Und nun waren sie dort.
Vier Kreaturen, die Vampire töteten. Sie waren wie Kaninchen in die Falle gegangen.
In die Falle, die Maurice mit einem Handgriff auslöste.
12
Über ihnen knarrte es und mit ohrenbetäubendem Getöse rasselte ein Gittergerüst nach unten, dass sie einschloss. Ein Käfig aus Stahl, oben geschlossen. Eine Gitterglocke, unter der sie gefangen waren wie Raubtiere.
Ludwig rappelte sich auf und rüttelte an den Stäben.
Lilou kreischte, denn sie hatte sich nur mit einer blitzartigen Bewegung in Sicherheit bringen können, bevor die Stäbe sie durchbohrten. Frederic fauchte und zischte. Caroline sträubten sich die Haare und sie starrte durch die Gitter auf Morgos Daargon, der sich erhob und gelassen zu ihnen schlenderte.
»Glaubt ihr wirklich, wir hätten euch nicht beobachtet? Die Waffen, die ihr aufgebaut habt? Meintet ihr, wir würden euch schalten lassen, wie es euch beliebt?«
Er musterte sie wie seltene Wesen, die er nach einer unendlich langen Suche endlich gefangen hatte und grinste schmal. Er winkte und Maurice kam an seine Seite.
»Mein Sohn …«, wimmerte Lilou.
Maurice öffnete den Mund und seine Reißzähne schimmerten weiß. Er gab gurgelnde Laute von sich.
»Lieber Gott, Maurice …«, stöhnte Ludwig. »Was hat er dir angetan? Wir dachten, du bist tot.«
Daargon hielt Maurice fest, der sich den Gitterstäben nähern wollte und sagte: »Zumindest wisst ihr jetzt, dass Maurice zwar unsterblich ist, aber nicht auf eure Weise. Er dient mir seit der Bombardierung Londons und ist mir treu ergeben.«
Maurice kollerte und grunzte.
»Beweise es, Maurice«, sagte Daargon und reichte dem schmalen Mann mittleren Alters ein Messer. »Schneide dir den kleinen Finger ab.«
Der Maurice-Vampir grinste schräg und zögerte nicht. Er hockte sich hin, spreizte den kleinen Finger auf den Steinboden, setzte das Messer an und mit einem knackenden Geräusch löste er den Finger von seiner Hand. Er nahm das amputierte Glied auf und hielt es zwischen Zeigefinger und Daumen wie eine tote Maus. Er starrte den Finger an, als gehöre er nicht zu ihm und ignorierte die weiße Flüssigkeit, die aus seiner Wunde tropfte.
Lilou weinte.
Ludwig sah aus wie ein lebender Toter, kalkweiß und unendlich gealtert. »Was hat er mit dir gemacht, mein Sohn?«
Maurice stieß Laute aus.
»Und nun esse ihn«, befahl Daargon.
Maurice zögerte nicht und mit unbewegter Mine steckte er sich den Finger in den Mund. Es knirschte ekelig, als er die Knochen und Knorpel zerkaute und schließlich schluckte. Über sein Kinn rann weißes Blut.
Daargon gab ihm einen Wink und er entfernte sich zu den anderen Vampiren, die sich regungslos verhielten, abwartend, wie vor innerer Spannung zitternde Raubkatzen, bevor sie ihr Opfer schlagen.
»Hat es sich gelohnt? War es das, was ihr sehen wolltet? Einen jämmerlichen Blut saugenden Tropf?«, fragte Daargon. »Dafür riskiert ihr euer Leben?«
Frederic, der sich inzwischen erneut verändert hatte, jetzt ohne Krallen und fast aussehend wie ein Mensch, sagte: »Was hast du mit uns vor?«
Daargon nickte. »Ich könnte euch den Brüdern und Schwestern zum Fraß vorwerfen und ich werde es vermutlich auch tun. Ich bin niemand,
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