Blutgesang (Nighthunter 2) Ein Vampir-Roman (German Edition)
Opfer und was bleibt? Alkohol, Hurerei und Elend.«
»Und die vielen Herrenhäuser? Menschen, die reich sind? Schöngeister? Kultur? Der Glaspalast? Die Weltausstellung? Der Hafen? Die internationalen Geschäftsbeziehungen?«, fragte Caroline.
»Benötigt man dafür eine gesunde Stadt?«, fragte Ludwig. »Oder ist alles das auch zu bewerkstelligen, wenn das Böse regiert?«
Caroline und Frederic schwiegen.
Dann sagte Frederic leise: »Ich habe diese Stadt einst geliebt, doch seitdem Regus’ Vampire immer stärker werden, seitdem sie in gehobenen Positionen sitzen und die Geschicke der Stadt lenken, weiß man nie, was einen erwartet und wohin das noch führt.«
Ludwig lachte hart. »Mein Junge, es führt zur Weltherrschaft der Vampire. Wir Engländer haben die größte Flotte, wir tätigen unsere Geschäfte weltweit, viele von uns gehen in die neue Welt oder nach van Diemens Land. Wir sind wie eine Krake, die ihre Tentakel über den Planeten ausstreckt. Wir sind mächtig. Die Königin, Victoria, ist seit vierzig Jahren im Amt und die ganze Welt liebt sie. Sie ist diejenige, die allem ihren Segen gibt.«
»Und auch sie weiß nicht, dass sie Vampiren vertraut, nicht wahr?«, meldete sich Madame DeSoussa zu Wort.
»Vermutlich weiß sie es nicht«, sagte Ludwig.
Frederic lachte. »Willst du damit sagen …«
»Gar nichts will ich sagen«, winkte Ludwig ab.
Es musste auch nichts mehr gesagt werden. Die Situation lag vor ihnen wie ein geöffnetes Buch.
Entweder man legte den Vampiren das Handwerk oder in dreißig, vielleicht erst fünfzig Jahren wäre die Welt ein Ort der Finsternis. Die Brutstätte dafür war hier, in London – auch wenn man es schwer begriff und für Ammenmärchen hielt.
Caroline löste sich aus ihren Erinnerungen und kniff die Augen zusammen. Vampire sahen in der Dunkelheit besser als Menschen, Katzen sowieso. Insofern war sie Frederic gleich.
Frederic!
Sie liebte ihn noch immer so sehr wie damals, als alles begann.
Für sie war er nach wie vor der Mann ihrer Träume, auch wenn er sich von Blut ernährte. Ihre Liebe war leidenschaftlich, ihre Beziehung anders, als die eines jeden anderen Menschen, denn sie beide waren …
GÖTTER!
Nein, das war übertrieben. Aber sie waren stärker als gewöhnliche Menschen. Sie verfügten über Kräfte, die kein Mensch besaß und sie setzten sie ein. Sie hatten oft überlegt, ein bürgerliches Leben zu versuchen, doch dafür waren sie zu … anders!
Nicht, dass ihnen dieses anders-sein leicht fiel, nicht, dass sie ohne Träume waren …
Caroline schreckte hoch.
Gestalten traten auf den Platz.
Zwei, drei, vier und noch mehr. Sie alle waren in Umhängen vermummt, jeder mit Kapuze. Sie schoben einen Wagen vor sich her und es bedurfte keiner Fantasie, um zu erkennen, dass es sich um einen Sarg handelte.
Warum hier?
Mitten in der Stadt?
Warum nicht an einem geheimen oder versteckten Ort?
Frederic zischte. Um seinen Körper hatte sich eine Aura gebildet und Caroline nahm wahr, wie er bebte. Ein Raubtier der Nacht. Ein Kämpfer für die Gerechtigkeit. Ein Verräter!
Denn genau das war er.
Ein Verräter!
Einer, der seine Rasse und seine Leute verleugnete.
Einer, der nicht sein wollte, was er war und es nur akzeptierte, indem er seinesgleichen bekämpfte.
Indem er sich bekämpfte!
Und doch nichts ändern konnte. Er war zu dem gemacht worden, was er war. Ein Verratener. Ein Monster. Das hatte er Regus zu verdanken, den er getötet hatte. Geändert hatte das nichts.
Und ich?, fragte sich Caroline, während sie die kleine Versammlung nicht aus den Augen ließ. Und ich? Ich war tot. Ich war ein Geist. Ich wurde aus dem Totenreich zurückgeholt und seitdem bin ich etwas, für das es keinen Begriff gibt. Die Liebe habe sie und Frederic wieder vereint, hatte Madame DeSoussa gesagt und damit hatte sie recht gehabt.
Denn die Liebe war die stärkste Kraft, die es gab.
Das änderte jedoch nichts daran, dass sie beide
Kreaturen!
Wesen waren, für die es keinen Vergleich gab. Wenn sie ihre Mächte vereinten, Kraft und Intelligenz, Bewegung und Ruhe, Blutdurst und Kampfkraft, Sensibilität und Rachedurst, Liebe und Liebe – waren sie eins, waren sie die Nachtjäger.
Einsam in Zweisamkeit.
Verloren in der Nacht.
»Da«, zischte Frederic unversehens.
Caroline sah es auch.
Ein Licht begann, sich über die Gruppe zu wölben, ein konisches Dach, welches hellblau, dann grünlich flimmerte und von den Hauswänden reflektierte, so hell, als wolle es
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