Blutgesang (Nighthunter 2) Ein Vampir-Roman (German Edition)
Zuschauer provozieren, Bürger aus den Betten locken, Betrunkene aus der Gosse und Hungernde aus den Torwegen.
Es hatte begonnen.
In aller Öffentlichkeit.
Ein Ritual, für dessen Anmutung Caroline keine Worte fand.
Ihr Katzensinn spürte die Bewegung unter sich und hätte sie Fell gehabt, hätte es sich gesträubt. Sie wirbelte herum und entkam nur mit einer blitzschnellen Bewegung, einem Sprung nach hinten und einem Salto rückwärts, der Kreatur, die sich auf sie stürzte. Sie rutschte vom Dach, hielt sich mühsam an der Regenrinne fest, die sich knirschend nach unten bog, und fiel zwei Stockwerke tiefer geschmeidig auf die Füße. Über ihr vereinten sich zwei Schatten.
Frederic und der Angreifer, der vermutlich nur Caroline wahrgenommen, aber Frederic nicht gesehen hatte.
Die Gruppe fuhr herum.
Das Licht über ihnen waberte und erlosch.
Caroline stand im Mittelpunkt des Interesses. Alle Augen, weiße und rote Blitze unter Kapuzenrändern, starrten sie an. Sie überlegte rasch, was sie tun sollte. Flüchten wie eine Katze im Schatten oder sich den Angreifern stellen? Außerdem lenkten nun die Kämpfenden auf dem Dach die Blicke der Vampire auf sich. Es knirschte, als Zähne ausfuhren und Knochen sich veränderten, als Fingernägel zu Krallen und Arme länger wurden, als Muskeln wuchsen und Gelenke geschmeidig wurden wie Sprungfedern.
Über Caroline krachte es. Ein Körper rumpelte über die Ziegel und knallte direkt neben ihr auf den Kopfstein. Es war der Angreifer, dessen Kopf verrenkt war. Er hatte sich das Genick gebrochen. Mit einem Sprung war Frederic neben Caroline. Im selben Moment schnellte der vom Dach gestürzte Vampir hoch, renkte sich mit einem hölzernen Krachen den Nacken ein und der Kampf ging weiter.
Liebe Güte, sie hatten sich verhalten wie Anfänger, wie Kinder, die das Gespräch eines Nachbarn belauschten und vom Apfelbaum plumpsten.
Die Gruppe der Vampire schien sich ihrer so sicher zu sein, dass sie gelassen auf Caroline und Frederic zukamen. Neun, nein zehn Gestalten, die ohne Furcht waren. Keiner von ihnen machte Anstalten anzugreifen, vielmehr wirkten sie wie Bauern, die einen Jungen beim Äpfelklauen erwischten und sich vergewissern wollten, wie viel Mut in dem Knaben steckte.
Frederic war wie eine gespannte Sehne, bereit, jederzeit zuzuschlagen.
Caroline neben ihm spürte seinen Atem, seine Energie und wie stets, vereinte sich ihre mit seiner Kraft. Sie waren ein eingespieltes Team, das manchen Kampf bestritten hatte. Niemand wusste, wer sie waren. Sie gaukelten der Öffentlichkeit eine bürgerliche Existenz vor. Ihre Arbeit begann in der Nacht:
Tagsüber waren sie ein verheiratetes Paar mit Butler und Hausmädchen.
Sie eine reiche Erbin, er ein ehemaliger Advokat, der privatisierte.
Nachts waren sie der Schrecken der Vampire und heute konnte es sein, dass ihr mühsam errichtetes Kartenhaus in sich zusammenfiel. Heute waren sie ohne Ludwig losgezogen. Sie wollten nicht, dass er sich in Gefahr begab und das war sicherlich gut so. Vermutlich suchte der eine oder andere Vampir schon die Nebengassen ab.
»Wer treibt sich da auf dem Dach herum?«, fragte einer der Vampire, wie alle anderen mit einem unter der Kapuze verborgenen Gesicht. »Haltet ihr uns für so dumm, dass wir euch nicht gespürt haben?«
Frederic riss den Kiefer auf und fauchte.
»Aha – einer von uns«, sagte der Vampir mit leichter Stimme.
»Und wer ist sie?«, fragte ein anderer.
»Ich fühle eine große Kraft, aber sie trinkt kein Blut«, sagte der Sprecher.
Caroline, die sich noch immer wie ein ertapptes Kind fühlte, schwieg. In ihrem Kopf ratterte es. Es gab Vampire, die Gedanken lesen konnten. Wenn dieser dazugehörte, befanden sie sich in größter Gefahr. Sie versuchte, sich zu verschließen, doch das war schwierig, denn es lähmte auch ihre eigene Wahrnehmung.
»Morgos Daargon«, sagte Frederic ruhig.
Caroline zuckte zusammen.
Der Sprecher stand still, seine Begleiter ebenso. Der Sarg auf dem Karren war vereinsamt, das Licht über ihm erloschen.
»Ihr wisst davon?«, säuselte der Sprecher und der Vampir neben ihm ächzte.
»Sollten wir nicht?«, fragte Frederic. Seine Klauen baumelten an seinen langen Armen. »Es ist ein offenes Geheimnis …«
Ein Schuss blitzte über den Platz und einer der Vampire brach gurgelnd zusammen. Aus seiner Brust kräuselte Rauch, er bäumte sich auf und sein Oberkörper platzte auseinander wie eine reife Tomate. Ein weiterer Schuss riss dem Vampir, der
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