Blutgesicht
Fauchen, als wären hungrige Wölfe in unserer Nähe, die sich um Beute stritten.
Suko hielt ihn hart umklammert. Die Hände lagen auf den Schultern des Malers. Er kam nicht aus diesem Griff weg, aber er knurrte weiter und wollte sogar vor mir in die Knie sinken. Auch das verhinderte Suko durch seinen Griff.
Mit meiner Linken schlug ich gegen seine Hände. Sie fielen nach unten.
Für einen Moment lag seine Gesicht frei.
Nein, kein Gesicht. Eine widerliche Fratze mit einer bleich-braunen Haut, wie man sie kaum beschreiben konnte.
Und genau dort hinein stieß ich das Kreuz!
***
Für einen Moment noch hielt ich es fest. Es hatte die Stirn erwischt und einen Teil der Nase. Als ich meine Hand zurückzog, war genau zu sehen, wo es den Maler erwischt hatte. Es zeichnete sich schwach in seinen Umrissen ab, brannte sich allerdings nicht in die Haut ein, wie es bei Dämonen der Fall war. Es löste den Mann auch nicht auf, und ob es für das heftige Zucken in seinem Gesicht gesorgt hatte, das wußte ich auch nicht genau.
Jedenfalls blieb das Zucken. Die dünne Haut an den Wangen bewegte sich rasant. Sie schien mit der an der Stirn in keiner Verbindung zu stehen, denn diese blieb glatt.
Auch der Mund war nicht mehr starr. Er zog sich in die Breite, er öffnete sich. Die Lippen sahen aus wie feuchte Cummistücke, die hin- und hergezogen wurden.
Ich wußte selbst nicht, was mit dieser Person los war. Seine Reaktion glich einem epileptischen Anfall. Zumindest etwas, das in diese Richtung deutete. Er mußte von einer anderen Kraft besessen sein, die jetzt in ihm steckte.
Dabei gab er Laute von sich, als läge er in den letzten Zügen. Dieses Häch-Häch-Häch störte mich schon, nur konnte ich es nicht ändern. Suko schaute mich fragend an, als er seinen Griff veränderte und den Mann umschlang.
Plötzlich wurde Nathan Lassalle still. So überraschend, daß es wieder unnatürlich wirkte. Er stand steif vor uns. Die Arme waren nach unten gestreckt. Er würde sie auch kaum bewegen können, da Suko sie noch zusätzlich umschlang.
War es vorbei?
Ich war wieder in der Lage, in seine Augen zu sehen. Nein, sie hatten sich nicht verändert. Sie waren noch immer so dunkel, noch immer ohne Gefühl. Ich wollte ihn jetzt das gleiche fragen, denn noch immer standen die Antworten aus, aber die Dinge waren noch nicht beendet. Sie liefen weiter. Nicht bei uns, sondern bei Lassalle, und damit auch in seinem Gesicht, denn nun erlebten wir die nächste Überraschung.
Es begann mit dem Mund. Mit dem Zucken der Lippen, die einen breiten Spalt bildeten. Etwas, das sich in Lassalles Mund befunden hatte, schob sich über die Zunge hinweg nach vorn, erreichte den Spalt und drängte sich als roter Schleim hindurch.
Blut!
Lassalles Blut! Das Blutgesicht!
Ich erinnerte mich an Janes Beschreibung. Auch sie hatte davon erzählt, daß Blut aus dem Mund gequollen war. Nicht nur dort, auch aus kleinen Wunden im Gesicht, und die wiederum entstanden zur gleichen Zeit. Als wäre eine unsichtbare Messerklinge dabei, über seine Haut hinwegzugleiten und sie an bestimmten Stellen zu berühren.
Auf der Stirn ein kleiner Schnitt, auf der rechten Wange, dann der linken, am Kinn und selbst auf der Oberlippe malten sich die feinen Schnitte ab, die sehr bald durch Blutperlen gefüllt wurden.
Mein Kreuz hatte dieses Blutgesicht geschaffen. Es war also doch vorhanden und kein Phantom. Es war in Lassalle verborgen gewesen. Er war der Mann mit den zwei Gesichtern.
Ein schlimmer Verdacht keimte in mir hoch. Hatte ich einen Fehler begangen? War ich zu hart vorgegangen? Hätte ich das Kreuz nicht einsetzen sollen? Ich befürchtete innerlich, daß wir von Nathan Lassalle keine Antwort mehr bekamen oder bekommen konnten, weil er einfach vor unseren Augen wegstarb.
Das Bluten setzte sich fort!
Jane hatte davon berichtet, daß auch aus den Augen Blut geronnen war. Bisher waren sie davon verschont geblieben. Nicht mehr lange, denn auch an den beiden Augen fing es an. Die Pupillen sahen zuerst noch dunkler aus, obwohl sie eine andere Farbe bekommen hatten und sogar glänzten. Sekunden später lösten sie sich auf. Nur ein erster Eindruck, denn tatsächlich lösten sich kleine Blutperlen aus den Pupillen und sickerten langsam nach unten den Rändern entgegen.
Es sah schon schaurig aus, wie sie ihren Weg fanden. Sie drängten über die Ränder hinweg. Dabei gaben sie dem Gesicht für kurze Zeit den Ausdruck eines traurigen Clowns, der weinen mußte, weil die Kinder
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