Blutgesicht
sehr kleinen Pupillen die Kälte, die nichts Menschliches mehr an sich hatte. Das waren böse Augen, die mich an dunkle, zu Iis. gewordene Tropfen erinnerten. Um sie herum verteilte sich das Weiße. Für mich waren es beinahe die Augen eines Toten oder eines lebenden Toten, eines Zombies, aber dieser Mann hier lebte. Er atmete keuchend. Die Luft aus seinem Mund strömte widerlich riechend an meiner Nase entlang.
»Wir haben Blut auf dem Boden gefunden. Woher stammt es?«
»Ich weiß von nichts.«
»Überlasse ihn mir, John.« Suko packte den Maler und wuchtete ihn herum. Er hielt ihn am Kücken fest und wieder an der Weste. »Wir werden jetzt gemeinsam losgehen, und du wirst uns die versteckte Tür zeigen, damit wir endlich das Blutgesicht sehen können. Wenn du uns dann nicht sagst, wo sich Jane Collins aufhält, gibt es Arger.« Lassalle lachte nur.
Es gefiel mir nicht. Er war überwältigt worden, doch er hatte seine Sicherheit behalten. Die Erfahrung sagte mir, daß noch etwas nachkam und der böse I löhepunkt dieses Falls noch nicht erreicht war.
»Ihr müßt an der rechten Seite einfach weitergehen!« hörten wir Julias Stimme. Die junge Frau hockte auf dem Boden und unterstrich ihre Worte mit einer entsprechenden Armbewegimg. »Fast bis zum Ende durch. Da ist es dann.«
»Danke.« Ich winkte ihr zu, während Suko den Maler schon vor sich herschob.
Wir passierten mehrere Bilder. Sie waren nie gleich groß, denn auf die ganz großen Gemälde hatte Lassalle verzichtet. Wahrscheinlich wurde er sie nicht los. Um sie aufzuhängen brauchte man viel Platz in der Wohnung.
Auch diese Motive waren düster. Nichts 1 lelles, niemals fröhliche Farben. Er hatte Berge gemalt, aber auch tiefe Schluchten mit reißenden Wassern, aus denen irgendwelche Fabelwesen stiegen, um die Welt zu erobern.
Es gab auch weniger schreckliche Bilder. Dazu zählten die normalen Landschaften, die allerdings nur wenig Grün zeigten, dafür mehr die sterbenden Farben des Herbstes und Winters.
All die Eindrücke nahm ich am Rande auf. Mir und auch Suko kam es darauf an, die versteckte Tür zu finden. Der Maler half uns nicht. Er lachte nur hin und wieder oder kicherte vor sich hin. Mehr tat er nicht.
Dafür half uns Julia Mason. »Sie brauchen nicht mehr weit zu gehen!« rief sie uns zu. »Neben dem Bild mit den Blumen ist die Tür, glaube ich.«
Das hatten Suko und Lassalle schon erreicht. Sie gingen noch einen Schritt weiter, und der Inspektor schaute dabei nach rechts. Dann blieb er stehen.
»Mach du, John, ich halte ihn solange.«
Das Bild hatte ich mir kaum angesehen. Es zeigte zwar Blumen, aber auch sie waren dunkel und hingen wie vor sich hinwelkende Schlangen aus der großen, ovalen Vase.
Ich tastete die Wand ab.
»Weiter oben!« rief Julia.
»Danke.« Meine Hände fuhren hoch. Hinter mir standen Suko und Lassalle. Der Maler keuchte, als bekäme er schlecht Luft. Er flüsterte uns auch Beschimpfungen zu und sprach davon, daß wir eine perfekte Beute für den Teufel sein würden.
Suko sprang darauf an. »Was hast du mit dem Teufel zu tun, Lassalle?«
»Er liebt mich.«
»Aha.«
»Er ist immer bei mir, wenn ich male. Die meisten Bilder habe ich ihm gewidmet.«
»So sehen sie auch aus«, erwiderte Suko trocken.
Ich hatte zugehört, ohne mich ablenken zu lassen. Meine Hände bewegten sich im oberen Drittel. Der Umriß der Tür selbst zeichnete sich nur bei genauem hinschauen ab.
Noch war der Widerstand da – aber plötzlich verschwand er. Gleichzeitig horte ich das leise Knacken, und im nächsten Augenblick war die Tür offen. Sie schwang nach innen.
Vor mir öffnete sich der Raum.
Ein dunkles Loch, in das kein Licht einströmte. Ich ahnte etwas an der gegenüberliegenden Wandseite, konnte aber nicht erkennen, welches Bild dort hing. Mir fiel eigentlich nur der schwache Umriß des Rahmens auf.
Von der Wand wurde die Tür gestoppt. Ich suchte nach einem Schalter, fand ihn und machte Licht.
Über dem Bild erhellte sich die Lampe!
Die Sicht war klar – und enttäuschend.
Dort hing der Kähmen. Darin spannte sich die Leinwand. Nur die Leinwand, denn das Motiv selbst war verschwunden…
***
Der Schock, der Schreck, vielleicht kam auch beides zusammen. Jedenfalls bewegte ich mich nicht von der Stelle und starrte nur auf die Quelle meiner Enttäuschung.
Eine leere Leinwand. Ich irrte mich nicht. Auch Suko hatte das gleiche gesehen und war ebenfalls enttäuscht, denn sein geflüsterter Fluch deutete darauf hin. Wenn
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